„Bewusstseinswandel für ein Leben bis zuletzt“
Empfehlungen für menschenwürdiges Sterben aus christlicher Sicht
Erklärung der Vollversammlung des Landeskomitees der Katholiken
Augsburg, 15. November 2008 (ILK) Für einen gesellschaftlichen „Bewusstseinswandel zuguns-ten eines Lebens bis zuletzt“ hat sich das Landeskomitee der Katholiken in Bayern in der gegen-wärtigen gesellschaftlichen Auseinandersetzung um Formen der Sterbehilfe ausgesprochen. Die Delegierten aus Diözesanräten, katholischen Verbänden und anderen Gremien des Laienapostolates in den sieben bayerischen Bistümern verabschiedeten bei der Herbstvollversammlung am Samstag, 15. November, in Augsburg einstimmig eine Erklärung, die die christliche Sicht der Sterbebegleitung und menschenwürdigen Sterbens verdeutlicht und Empfehlung für Politik, Gesellschaft und Pflegeeinrichtungen formuliert.
Die Furcht vor einer verloren gehenden Selbstbestimmung in Alter und Krankheit sei ebenso ernst zu nehmen, wie der Verlust einer Sterbe- und Trauerkultur in der Gesellschaft, heißt es in der Erklärung. Das Alter als Lebensabschnitt werde häufig als Last empfunden, verstärkt durch Kostendruck in den Sozialsystemen, der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. In Kirche, Gesellschaft und Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege müssten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Wert und die Würde alter und kranker Menschen deutlich machten.
An die Politik gerichtet forderten die Delegierten der Herbstvollversammlung, die Palliativmedizin in der stationären und ambulanten Pflege auszubauen und Sterbebegleitung und Palliativpflege in gleicher Weise zu vergüten wie Rehabilitationsmaßnahmen. Die chronische Unterfinanzierung der Pflege sei zu beseitigen und das Vergütungssystem an die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen im Sterbeprozess anzupassen. Zur augenblicklichen Diskussion um die rechtliche Regelung der Patientenverfügung wurde festgestellt, dass der Gesetzgeber für die konkreten Behandlungssituationen einen rechtlichen Rahmen vorgeben müsse, damit der wahre Patientenwille für die aktuelle Situation möglichst zuverlässig ermittelt und von sachfremden Einflüssen Dritter geschützt werden könne.
An die Verantwortlichen in Medizin und Pflege appellierte das Landeskomitee, die interdisziplinäre Zusammenarbeit weiterzuentwickeln. Ärzte müssten den Mut haben, im natürlichen Prozess des Sterbens vergebliche Heilungsversuche aufzugeben und sie durch Schmerztherapie, menschliche Zuwendung und Kooperation mit anderen Disziplinen zu ersetzen. Der im Sozialgesetzbuch (SGB) V bereits festgeschriebene Ausbau der ambulanten Palliativversorgung zuhause müsse weiter vorangetrieben und den Betroffenen und Angehörigen bekannt gemacht werden.
Das Sterben im Krankenhaus müsse den Charakter des Technischen und Unpersönlichen verlieen. Gute Ansätze hierfür seien zum Beispiel Sterbe- und Abschiedszimmer und ein sensibler Umgang mit Angehörigen.
Für die Kirche gelte es, noch mehr als bisher die Erkenntnisse und Möglichkeiten einer professionellen wie ehrenamtlichen Sterbegleitung zu nutzen. Die christliche Palliativ- und Hospizkultur müsse zu einem selbstverständlichen Merkmal kirchlichen Handelns werden. Besuchsdienste in Pfarreien und der Einsatz von Freiwilligen sollten in die institutionelle Betreuung integriert und Ehrenamtliche für diese Tätigkeit angemessen qualifiziert werden. Dazu sei auch eine Kooperation von Pfarrseelsorge und Seelsorge in Kliniken und Pflegeeinrichtungen notwendig. (ua)
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Menschenwürdiges Sterben statt aktiver Sterbehilfe
Palliativmedizin und Hospizbewegung sollen gestärkt werden
Landeskomitee der Katholiken diskutierte Sterbebegleitung
Augsburg, 14. November 2008 (IKL) Für eine menschenwürdige Sterbebegleitung und gegen einen selbstbestimmten Tod in der Form aktiver Sterbehilfe haben sich bei der Herbstvollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern am Freitag, 14. November, in Augsburg Experten aus Medizin, Krankenhausseelsorge und Altenheimpflege ausgesprochen. Sie plädierten für Patientenverfügungen, die rechtzeitig für den Fall der Endphase einer nicht mehr heilbaren Krankheit auch einen Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen formulieren sollten. Konsens herrschte auch darüber, das christliche Profil in der Hospizbewegung, die häufig weltanschaulich indifferent sei, stärker bewusst zu machen.
Thomas Binsack, Palliativmediziner und Chefarzt am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in München, sagte, die Medizin sei gegenwärtig in der Lage, jedem schwerkranken Menschen zu versichern, ihn auch bei großen Schmerzen so zu behandeln, dass sein Leben bis zuletzt lebenswert sei. Es müsse in der Öffentlichkeit sehr viel mehr bewusst werden, dass jeder seinen letzten Lebensweg ohne Schmerzen gehen könne. Aus 17-jähriger Erfahrung als Palliativmediziner sage er: „Wir müssen die Angst aus dem Thema herausnehmen.“ Auch müsse mit den „Mythen“ Schluss gemacht werden, die in der Palliativmedizin eingesetzten Medikamente machten süchtig, abhängig oder sogar geschäftsunfähig.
Zur Frage der Finanzierung der medizinischen und pflegerischen Leistungen in der Palliativmedizin sagte Binsack, die bayerischen Krankenkassen hätten sich sehr entgegenkommend gezeigt. Damit die Leistungen abgerechnet werden könnten, sei der besondere Charakter der Einrichtungen der Palliativmedizin anerkannt worden. Allerdings müsse dies jährlich neu verhandelt werden. Binsack appellierte an die Politiker, sich auch künftig für diesen Status einzusetzen. Hildegard Schröppel vom Caritasverband des Bistums Augsburg sagte, die Caritas bejahe das Leben bis zuletzt, akzeptiere das Sterben als natürlichen Prozess, lehne aber aktive Sterbehilfe ebenso ab wie eine Lebensverlängerung um jeden Preis. Palliativpflege und Hospizarbeit müsse zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in allen ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen, Ärztepraxen und Krankenhäusern Einzug halten. Über eine erfolgreiche ganzheitliche Betreuung unheilbar Kranker (Palliativ-Care) informierte die Augsburger Klinikseelsorgerin Josefa Britzelmeir-Nann.
Für die Vorbereitungsgruppe zu der dem Thema „Christliche Sterbebegleitung ist Lebensbegleitung“ gewidmeten Vollversammlung des Landeskomitees sagte deren Sprecherin Rosemarie Görlich, es gebe in der Gesellschaft vielfältige Ansätze, ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen. Hospizbewegung und Palliativmedizin hätten dabei einen festen Platz gefunden, ohne dass die Angebote ausreichten. In Pfarrgemeinden und Kommunen seien Besuchsdienste und Senioreneinrichtungen entstanden. Vielfach fehlten aber sowohl Hauptamtliche wie Ehrenamtliche für diese Dienste. Viele Fragen, auch nach den Kosten, seien noch offen. Görlich wies darauf hin, dass vor allem Familien angesichts der demografischen und gesamtgesellschaftlichen Entwicklung in der Begleitung schwerstkranker und sterbender Angehöriger immer mehr auf Unterstützung von außen angewiesen seien. (wr/ua)
Landeskomitee der Katholiken sucht Kontakt zur FDP
Bayerns Grüne sollen ihr Verhältnis zur Kirche klären
Skepsis gegenüber dritter Startbahn beim Flughafen München
Augsburg, 14. November 2008 (ILK) Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern will möglichst bald mit der bayerischen FDP sprechen. Dies kündigte der Vorsitzende des Landeskomitees, Helmut Mangold, zum Auftakt der Herbstvollversammlung des die Gremien des Laienapostolates und kirchlichen Verbände in allen bayerischen Bistümern repräsentierenden Landeskomitees am Freitag, 14. November, am Tagungsort Augsburg vor der Presse an. Dabei solle es vor allem um die Ladenschlusszeiten gehen, die die FDP von jeglichen Beschränkungen befreien wolle. Die Partei, die nach den letzten Landtagswahlen in Bayern mit der CSU eine Koalition eingegangen ist, habe nur wenige christliche Positionen in ihrem Programm, kritisierte Mangold.
Die Partei der Grünen forderte der Vorsitzende auf, „in nächster Zeit intensiv ihr Verhältnis zu den Kirchen zu klären“. Wie sehr auch Teilfragen aus dem Bereich der garantierten Religionsfreiheit zu heftigen Diskussionen führen könnten, habe der Augsburger Parteitagsbeschluss der Grünen zur Entfernung aller religiösen Symbole aus Schulen deutlich gemacht. Das damit möglicherweise verfolgte Kalkül, kirchenkritische Wähler zu gewinnen, sei bei den letzten Wahlen schiefgegangen in einem Land, in dem an vielen Wegen Kreuze stünden und in dem Kirche und Staat noch eine traditionelle Nähe zueinander besäßen. Die Grünen hätten die entscheidende Gretchenfrage, wie sie es mit der Religion hätten, noch nicht beantwortet.
Zur zurückliegenden Auseinandersetzung um die personelle Besetzung eines Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung sagte der Vorsitzende des Landeskomitees, wichtiger sei es, den Aufgabenbereich einer solchen Beauftragung zu definieren und auch festzulegen, wo diese Stelle in Zukunft in der Staatsregierung angebunden werden solle. In den anhaltenden Diskussionen um den Bau von Moscheen in den Zentren deutscher Städte erwartet Mangold vor allem Offenheit muslimischer Mitbürger, wie sie bei der Eröffnung der neuen Großmoschee im Duisburger Stadtteil Marxloh erkennbar gewesen sei. In Zukunft müsse sich zeigen, ob eine solche Offenheit von Bestand sei oder ob etwa der Appell des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan an seine Landsleute in Köln zur Festigung türkischer Identität eher zur Seperation und damit zur Desintegration türkischer Mitbürger beitrage.
In der gegenwärtigen Krise der Finanzmärkte und der sich abzeichnenden Rezession muss es nach Auffassung Mangolds eine Rückbesinnung auf die Grundprinzipien der katholischen Soziallehre geben. Ökonomie ohne Ethik führe zum Kollaps, entfesselter Kapitalismus in den Ruin. Das Landeskomitee fordere die verantwortlichen Politiker auf, endlich Regeln für die Marktwirtschaft mit weltweiter Gültigkeit zu schaffen. Zum geplanten Bau einer dritten Startbahn für den Flughafen München äußerte sich der Vorsitzende unter Hinweis auf ein Gespräch mit Verantwortlichen der Flughafen München GmbH, das kürzlich stattgefunden hat, skeptisch. Das Landeskomitee habe ernste Zweifel an der grundlegenden Prognose für die Planung angemeldet. Die Vorhersagen für einen extrem zunehmenden Flugverkehr erschienen dem Landeskomitee als überzogen.
Mangold kündigt Rückzug vom Amt des Vorsitzenden an
Mangold kündigte seinen Rückzug vom Amt des Vorsitzenden des Landeskomitees an. Die kommende Vollversammlung am 28. März 2009 werde hauptsächlich Neuwahlen gewidmet sein. Das Präsidium habe bereits einen Wahlausschuss eingesetzt. Mangold appellierte an die Delegierten, sich Gedanken über geeignete Personen für den Vorsitz und für das Präsidium des Landeskomitees zu machen. Nur mit einer guten Leitungsmannschaft lasse sich die zunehmende Aufgabenvielfalt des Landeskomitees auch in Zukunft bewältigen. Die Herbstvollversammlung in Augsburg von Freitag bis Samstag, 14. und 15. November, befasst sich mit dem Thema des Sterbens und der Sterbebegleitung aus christlicher Sicht und wird dazu eine Erklärung verabschieden. (wr)