Bischof Hanke: „Aufklärung ohne wenn und aber“
Staatsminister Schneider plädiert für eine differenzierte Sicht der Missbrauchsfälle
Landeskomitee der Katholiken startet Diskussion über Werte in der Gesellschaft
Eichstätt, 6. März 2010 – Staatsminister Siegfried Schneider (CSU) hat sich bei der Frühjahrsvollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern für eine differenzierte Betrachtung der Missbrauchsfälle ausgesprochen. „Die Verantwortlichen müssen benannt und zur Rechenschaft gezogen werden, aber es darf kein Generalverdacht entstehen“, erklärte Schneider. „Wir dürfen nicht denen nachgeben, die die Kirche in Misskredit ziehen wollen“. Eine schnelle Aufklärung sei auch insofern nötig um zu zeigen, wie segensreich das Wirken von vielen katholischen Erziehern „ist und sein wird“. Der Eichstätter Bischof, Gregor Hanke, plädierte für eine „Aufklärung ohne wenn und aber“. Allerdings sei dabei bedeutsam, sich „nicht paralysieren zu lassen“. „Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass da ein System dahinter steht“, so Hanke. Es müsse der Wahrheit gedient werden. Hankes Ansicht zufolge ist jetzt ein „Zusammenstehen von Laien, Priestern und Bischöfen nötig, um gemeinsam der Osterhoffnung entgegen zu gehen“.
Hanke erinnerte an den Sendungsauftrag aller Christinnen und Christen. „Wir dürfen den Mut nicht sinken lassen auch wenn der Wind kräftig ins Gesicht weht“. Der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Albert Schmid, betonte mit Blick auf die Missbrauchsfälle, „dass Transparenz das oberste Gebot ist“. Jeder Einzelfall müsse auch einzeln betrachtet werden. Um Hilfe zu ermöglichen, habe dies schnell zu geschehen. „Was die Ursachen angeht bin ich für eine differenzierte Diskussion“. Außerdem sollten dabei Fachleute beraten, die Internatspädagogik überdacht und die Priesterausbildung angesprochen werden. Bedeutsam sei in diesem Zusammenhang auch, die katholische Sexualmoral in ihrer ganzen Breite zu diskutieren und nachvollziehbar zu vermitteln.
Die Mitglieder des Landeskomitees der Katholiken in Bayern haben am 6. März einstimmig eine Initiative zur Wertediskussion beschlossen, die ein „Dialogangebot an die Gesellschaft“ ist. Ein Jahr sollen in Bayern flächendeckende Gespräche mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaft und Medien über Werte geführt werden. Das Landeskomitee will damit eine „christlich geprägte und gelebte Überzeugung von Werten“ verstärkt in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen. In einer besonderen Funktion sieht das Landeskomitee dabei die Familie, da Eltern für die Kinder die „ersten und wichtigsten Wertevermittler“ sind. In der „Hartz IV-Diskussion“ zeige sich, dass nicht die „Sorge um die Menschen“, sondern parteitaktische Gründe im Vordergrund stehen würden. „Auf diese Weise verliert Politik an Reputation und Ernsthaftigkeit“, so Schmid. Die Debatte führe ans „Eingemachte“, denn nach dem Menschenbild der Bibel müsste die Sorge Bedürftigen gelten. Auch in der Banken- und Finanzkrise seien tiefer liegende Ursachen nicht weiter analysiert worden. Schmid kritisierte, dass im Hinblick auf die Kirchenaustritte nicht die Ursachen betrachtet würden. „Es muss uns treffen, wenn Menschen aus der Kirche austreten“. Dies sei auch eine Anfrage an das eigene Zeugnis. Er rief die Christinnen und Christen dazu auf, mit „der Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses“ die Gesellschaft mit christlichen Werten zu prägen. Die Möglichkeiten würden hier für Laien weiter reichen, denn sie würden oft leichter ins Gespräch kommen.
Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern tagte vom 5. bis 6. März in Eichstätt. Das Laiengremium besteht aus 89 Mitgliedern. Jeder Diözesanrat stellt vier Mitglieder, dazu kommen die Vorsitzenden aus den Landesverbänden, -organisationen, und –institutionen sowie 13 berufene Mitglieder. (af)
Christen müssen Arme, Kranke und Schwache im Blick behalten
Landeskomitee der Katholiken in Bayern diskutiert christlich gelebte Werte
Professor Hans Maier: Christentum ist Aufforderung zur Hinwendung zum Menschen
Eichstätt, 5. März 2010. Mit einer neuen Initiative zu christlich gelebten Werten will sich das Landeskomitee der Katholiken in Bayern in die gesellschaftliche Wertediskussion einbringen. Die Frühjahrsvollversammlung des Laiengremiums, die am 5. und 6. März in Eichstätt tagte, beschäftigte sich mit den Grundlagen des christlichen Menschenbildes und den daraus resultierenden Werten. Christen müssten immer auch die Unmündigen, Behinderten und Bedürftigen im Blick behalten und sich nicht biologistischen Fortschritts- und Allmachtsträumen hingeben, sagte Professor Hans Maier, emeritierter Ordinarius für christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie an der Universität München.
Das Christentum habe – im Gegensatz etwa zur griechischen Antike und den modernen Kritikern des Christentums wie Friedrich Nietzsche – gelehrt, Arme, Kranke und Schwache nicht als Gefahr für die Höherentwicklung der Menschheit zu sehen, sondern sie als Aufforderung zur Solidarität, zur mitmenschlichen Hilfe zu begreifen, sagte Maier. „Das Christentum hat ein Gefühl für die Würde aller Menschen entwickelt. Darauf beruht unser Rechtsstaat, unser Sozial- und Kulturstaat bis zum heutigen Tag.“ Sich dieses Ursprungs der Werte und der Botschaft des Evangeliums bewusst zu werden, sich in Verbindung mit Gott bedingungslos dem Menschen zuzuwenden, gerade darin läge die Chance, als zukunftsweisender Lebensentwurf wahrgenommen zu werden. „Die Menschenwürde droht heute zu einem Gut unter Gütern zu werden, das gegen andere Güter abgewogen auf aufgerechnet wird.“
Gerade in der Schule müssten sich Lehrer und Erzieher der Werte bewusst werden und diese auch vorleben, sagte Schwester Josefa Thusbaß, Missionsdominikanerin und Leiterin der Mädchenrealschule St. Immaculata der Erzdiözese München und Freising. In einer kirchlichen Schule sei es unverzichtbar, dass die Lehrkräfte auf dieser Basis gemeinsam einen Wertekonsens erarbeiten. Wenn in einem Lehrerkollegium die Interessen und Fähigkeiten des Einzelnen zum Tragen kommen, werde die Wertevermittlung positiv in Gang gesetzt, so Sr. Josefa Thusbaß. „Dem Einfluss einer begeisterten Lehrerin oder Lehrers kann sich eine Schülerin oder Schüler kaum entziehen.“
In der Wertevermittlung an die jüngere Generation komme den Eltern eine herausragende Rolle zu, sagte der Vorsitzende des Familienbundes der Katholiken in Bayern, Professor Johannes Schröter. Papst Johannes Paul II. habe in seinem Brief an die Familien betont, dass „die Kirche vor allem durch die Familien“ erziehen möchte. Dies unterstreiche auch eine Umfrage unter Kindern aus dem Jahr 2006. Danach sahen über 90 Prozent der Kinder die Eltern als ihre Wertevermittler an, während Kirchen, Medien und Politiker weit unter 20 Prozent lagen.
Gefängnisseelsorger Pfarrer Edwin Erhard schilderte seine Erfahrungen bei der Wertevermittlung in der Justizvollzugsanstalt Würzburg: „Der wichtigste Wert im Gefängnis ist die Freiheit!“ Für einen Gefangenen bestehe Freiheit zum Beispiel darin, reden zu dürfen. Diese könne dann die Brücke zur Wahrheit werden. Im Gespräch mit dem Seelsorger könne der Gefangene seinen Weg zu sich selbst finden. „Draußen“ sei er seinen Problemen oft genug fortgelaufen, nun habe er die Chance, liebevoll und realistisch mit sich selber umzugehen. Mitten in der Abgründigkeit des Strafvollzugs suchten die Menschen nach Werten. Gerade dort sei der Wert der Vergebung besonders wichtig. „Auch wer viel Böses getan hat, besteht nicht aus seinen Straftaten allein. Er hat auch Gutes, das seinen Wert behält“, so Erhard. Menschen brauchten Werte und keine Ideologien, sie brauchten Liebe und keinen Druck, vor allem aber bräuchten sie die Erfahrung ihres eigenen Wertes. Es sei Aufgabe der Kirche, den Menschen die Ehrfurcht vor Gott und die Achtung des Menschen vorzuleben. (tu)
„Die aktuellen Missbrauchsfälle treffen uns im Innersten“
Albert Schmid: Unser ganzes Mitgefühl gilt den Opfern
Landeskomitee der Katholiken in Bayern diskutiert christlich gelebte Werte
Eichstätt, 5. März 2010. „Die aktuell bekannt gewordenen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche treffen die bayerischen Katholiken in ihrem Innersten.“ Das sagte Albert Schmid, Vorsitzender des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, bei einem Pressegespräch auf der Frühjahrsvollversammlung des Laiengremiums, das am 5. und 6. März in Eichstätt tagt. Jetzt sei es wichtig, die Konsequenzen mit aller notwendigen Klarheit und Härte zu ziehen. Schnelligkeit bei der Aufarbeitung sei dabei oberstes Gebot der Stunde. Über die Ursachen sei allerdings eine breite fachliche Diskussion nötig, die ausführlich und sachorientiert geführt werden müsse.
Schmid warnte gleichzeitig davor, „wohlfeile Kausalitätszusammenhänge“ herzustellen. Die Diskussion, wie sie gerade in der Öffentlichkeit geschehe, sei teilweise wenig hilfreich. Die alleinige Sorge müsse nun den Opfern gelten. „Wenn die Opfer dieser schrecklichen Missbrauchsfälle jetzt dazu benutzt werden, um oberflächliche kirchenfeindliche Ressentiments zu schüren, handelt es sich um einen weiteren Missbrauch der Opfer“, so Schmid.
Gerade durch die aktuellen Missbrauchsfälle sei eine Wertediskussion wichtiger denn je. „Vor dem Hintergrund der Banken- und Finanzkrise wollten wir eine Diskussion über die christlichen Werte anstoßen, die nun eine traurige Aktualität erlangt hat“, sagte Schmid. Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern wolle deshalb eine Diskussion mit allen gesellschaftlichen Gruppierungen führen. „Dabei geht es nicht darum, einen Wertekanon aufzustellen. Vielmehr müssen wir als Katholiken Zeugnis ablegen, über die von uns auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes vertretenen Werte.“ Der Schwerpunkt soll dabei auf der Wertekommunikation liegen, vor allem mit Vertretern aus dem Bildungssektor, aus den Medien und aus Bereichen, die hier bisher wenig in Erscheinung getreten sind. In einem Jahr werde man dann auf der Herbstvollversammlung die Ergebnisse zusammentragen und reflektieren.
Ein hoffnungsvolles Zeichen seien die Pfarrgemeinderatswahlen, die an diesem Wochenende in ganz Bayern stattfinden, so der Vorsitzende des Landeskomitees. Rund eine Million Katholiken werden sich an der Wahl beteiligen und rund 50.000 Menschen in die Pfarrgemeinderäte wählen. „Diese Menschen legen engagiert Zeugnis für ihren Glauben ab und bilden ein tragfähiges Netz des Laienapostolats“, sagte Schmid. „Gerade in der jetzigen Situation spüren sowohl Laien als auch Priester, dass nur mit wechselseitigem Vertrauen, völliger Transparenz und Offenheit der eigentliche Auftrag des Evangeliums erfüllt werden kann.“
Vom 2. Ökumenischen Kirchentag in München im Mai erhofft sich Schmid wichtige Impulse für die Wertediskussion. „Gerade dort können die christlichen Kirchen – bei aller Verschiedenheit – gemeinsam Zeugnis ablegen. Das ist in der säkularen Welt von heute wichtiger denn je.“ Er gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Ökumene einen großen Schritt nach vorne mache, allerdings nicht als „Rückkehr-Ökumenismus, sondern als Austausch von Gaben“ in einem respektvollen Miteinander. (tu)