„Friedensethik durch Denkanstöße aus Kirche geprägt“
Vertreter der katholischen Laien in Bayern befassen sich mit dem Thema „Friede braucht Mut“
München/Wies bei Steingaden, 14. November 2015. Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern hat sich im Rahmen seiner Herbstvollversammlung am Freitag und Samstag, 13. und 14. November, in Wies bei Steingaden, mit dem Thema „Friede braucht Mut“ befasst. Josef Fuchs, Vorsitzender des Sachausschusses „Mission-Gerechtigkeit-Frieden“, konstatierte in seiner Einführung in den Studienteil, der Begriff Friede führe in Theologie und Ethik „ein Schattendasein“. Auch die Kirche habe sich in der Vergangenheit mit dem Thema „schwergetan“ und „erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts den Quantensprung vom ,gerechten Krieg‘ zum ,gerechten Frieden῾“ geschafft.
In seinem Referat griff Eberhard Schockenhoff, Moraltheologe an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i.Br., diesen „Paradigmenwechsel“ auf, hielt aber zugleich fest, dass „die zeitgenössische friedensethische Debatte entscheidend durch Denkanstöße aus dem Umfeld des Christentums und der Kirchen geprägt“ worden sei. Der Denkansatz eines gerechten Friedens finde sich bereits in der Enzyklika „Populorum progressio“ von Papst Paul VI. aus dem Jahr 1967 mit einer ihrer Kernaussagen: „Entwicklung ist der neue Name für Frieden.“ Friedenssicherung ruht heute laut Schockenhoff auf drei Säulen: zum einen auf Armutsbekämpfung und Entwicklungsförderung, zum anderen auf Demokratieförderung und schließlich auf der Entwicklung der internationalen Ordnung und Beziehung, „einer Stärkung der Uno“. Diese dritte Säule sei „einer der Schwachpunkte: dass die Uno eine starke moralische Autorität hat, aber sie verfügt nicht über wirksame Drohmittel, ihre Ansprüche durchzusetzen“. Das christliche Gebot der Feindesliebe bedeute im Friedensprozess eine „Erstinitiative ohne Rückendeckung“, es verlange den „Mut, im Feind den Menschen, vielleicht den Freund, zumindest den Sicherheitspartner von morgen zu sehen“.
Die heute vorherrschenden asymmetrischen Kriege stellten „eine große Herausforderung für die christliche Friedensethik“ dar, erläuterte Schockenhoff. Anwendung militärischer Gewalt zum Schutz eigener Interessen auszuschließen, sei eine große Errungenschaft, ein „schulterzuckendes Wegsehen“ bei Gewalt gegen Dritte muss nach den Ausführungen Schockenhoffs aber „als moralisch fragwürdig gelten“. Der „Einsatz rechtserhaltender und rechtsdurchsetzender Gewalt“ könne als „ultima ratio“ in Betracht gezogen werden. Drohnen seien zwar „ein höchst effizientes Mittel“, führten aber in einen „rechtlosen Zustand“ und stellten für „einen demokratischen Staat etwas höchst Problematisches“ dar, attestierte Schockenhoff.
Bei einer Podiums- und Plenardebatte zum Abschluss der Vollversammlung am Samstag, 14. November, gab Walter Kolbow, Staatssekretär a. D. im Bundesverteidigungsministerium, zu bedenken, „dass die Krise der Normalfall ist“ und es „eine Form der Bewältigung von Krisen“ geben müsse: „Wenn man internationale Verantwortung trägt, dann ist man nicht mehr isoliert, dann muss man sich entscheiden, ob man europäisch oder global dabei ist, dann entscheidet man auch über Waffen.“ Wiltrud Rösch-Metzler, Bundesvorsitzende von Pax Christi, pochte auf die „Einhaltung von Völker- und Menschenrechten“ als Friedenssicherung. Auch das „Einstehen für Flüchtlinge ist Konkretisierung des Einsatzes für den Frieden“. Entscheidend sei bei allen Schritten, so der geistliche Beauftragte für das Landeskomitee und ehemalige Militärgeneralvikar, Prälat Walter Wakenhut, „den gerechten Frieden im Blick zu haben“. (ck)
„Blick auf den Menschen muss Flüchtlingspolitik leiten“
Landeskomitee-Vorsitzender Schmid kritisiert parteipolitische Interessen in Migrationsdebatte
Wies bei Steingaden, 13. November 2015. Eine am Menschen statt an Parteiinteressen orientierte Flüchtlingspolitik hat der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Albert Schmid, gefordert. „Es ist der christlich-biblische Blick auf den Menschen, der uns leiten muss“, so Schmid in seinem Bericht bei der Herbstvollversammlung des Landeskomitees in Wies bei Steingaden am Freitag, 13. November. Demgegenüber dürften parteipolitische Interessen „kein vorrangiges Ziel“ sein. Politik müsse vielmehr „das für richtig Erkannte durchsetzen“ und sich nicht an Umfrageergebnissen orientieren, erklärte Schmid: „Politik ist kein Selbstzweck.“
Das Thema Flüchtlinge sei für Katholiken von „herausragender Bedeutung“, es gehe dabei „um essentielle Fragen des Christseins“, unterstrich der Landeskomitee-Vorsitzende. Katholiken seien „nicht Angehörige einer nationalen Kirche, sondern Weltbürger“. Es sei „höchste Zeit, dass wir dieses Europa neu konstituieren als geistige Wertgemeinschaft, nicht nur als eine erweiterte Wirtschaftsgemeinschaft“, sagte Schmid. Es gelte, schnellstmöglich eine „integrierte Migrations- und Entwicklungspolitik“ zu realisieren. Den Menschen müsse eine produktive Entfaltung in ihrem Heimatland ermöglicht werden, so werde Entwicklung der entscheidende Beitrag auch zum Frieden.
Schmid forderte „mehr Maßnahmenkompetenz“ bei der Entscheidung von Asylanträgen, die schneller bearbeitet werden müssten. Zudem gelte es sichere Fluchtwege nach Europa zu gewährleisten, eine großzügige Kontingentlösung zu schaffen und den Familiennachzug bei entsprechendem Status der Flüchtlinge zu ermöglichen. Schmid verlangte „geordnete Wege“ der Zuwanderung, damit könnten auch Ängste und Sorgen der Bevölkerung bekämpft werden. Diese speisen sich nach Ansicht Schmids vor allem aus der Unsicherheit darüber, wie es weitergeht. Gegen Bewegungen wie Pegida gelte es, „sich klar zu positionieren“ und deutlich zu benennen, dass es hier „um die taktische Variante zur Durchsetzung ideologischer Interessen“ gehe.
Schmid ging in seinem Bericht auch auf jüngste Skandale bei deutschen Konzernen wie VW, Siemens oder Deutscher Bank ein. Es handle sich hier offenbar um ein „weit praktiziertes Modell“, und Schmid fragte: „Wo gibt es dagegen Widerstand? Einen Aufstand der Anständigen?“ Für Schmid liegt die Ursache für Betrug darin, dass Gewinnmaximierung zum „obersten Prinzip wirtschaftlichen Handelns“ geworden sei: „Dann ergibt sich zwangsläufig solches Verhalten, damit verführen sie Leute zur Lumperei.“ Die Gegenantwort dazu sei eine Wirtschaft, die sich vorrangig an drei Dingen orientiere: an der Produktqualität, an der Kundenzufriedenheit und an der Motivation der Mitarbeiter. „Wir müssen wieder zu dem altmodischen Wert der Integrität aufrufen“, so Schmid. (ck)