„Eine Kirche, die auf alles eine Antwort hat, ist nicht glaubwürdig“
Kardinal Marx plädiert für neue Haltung in der Evangelisierung / Vollversammlung des Landeskomitees
Freising, 4. April 2014. Nach der Ansicht von Kardinal Reinhard Marx muss die Kirche in der Verkündigung des Evangeliums eine neue Haltung einnehmen: „Eine Kirche, die alles weiß, die auf alles eine Antwort hat, ist nicht glaubwürdig“, sagte der Erzbischof von München und Freising bei der Vollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern in Freising am Freitagabend, 4. April. Die Wahrheit des Glaubens sei „nicht einfach ein System, das wir verteidigen, sondern die Person Jesu Christi, der wir begegnen.“ Das Evangelium könne man „nicht verkündigen, indem man den Katechismus in die Hand nimmt, sondern indem man das ganze Leben in die Waagschale wirft und dem Menschen Heil zuspricht“.
Marx warnte vor starrem Beharren und Festhalten an Althergebrachtem: „Wenn wir wahrgenommen werden als eine Institution, die ihre Wahrheit verteidigt, ist das schief. Dann ist das Häuserkampf und nicht Evangelisierung. Es geht vielmehr um den Mut, in das Leben hineinzugehen – aber nicht ohne Anspruch.“ In diesem Zusammenhang warnte er vor einem Zerwürfnis bei der Diskussion über den Zugang wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten: „Ich habe große Sorge, dass das zu einer großen ideologischen Schlacht wird. Es bahnt sich an.“ Er appellierte an die Vertreter des Laienapostolats, sich zu bemühen, das Thema einmütig zu diskutieren.
Bei der Weitergabe des Glaubens stehe die Kirche vor eine großen Herausforderung: „Wir erleben einen großen Transformationsprozess des religiösen Lebens und der ganzen Gesellschaft in Deutschland“, sagte Marx. Es gehe um eine Gesellschaft, „die mehr verbindet als eine Fußball-Weltmeisterschaft oder das Streben nach Wohlstand“. Die Pastoral der Kirche sei „viel radikaler in Frage gestellt, als wir vermuten“. Die Seelsorge gehe immer noch sehr stark von „Selbsterhaltung“ aus, dabei gehe es eigentlich um „die Zukunft des gesamten christlichen Glaubens in unserem Land und darum, was er bedeuten soll“. Die Frage sei nicht, „wie rette ich meine Pfarrei“, sondern, „ob eine moderne Gesellschaft mit vielfältigen Möglichkeiten auf Dauer zusammenhalten“ könne.
Zur pastoralen Herausforderung gehöre auch die Integration der Armen. Damit seien „nicht nur die materiell Armen, sondern auch die Kranken, die Suchenden, die Dementen, die Schwachen“ gemeint: „Wenn diese keinen Platz mehr in der Kirche haben, dann sind wir nicht mehr die Kirche Jesu Christi.“
In der Frage der Kirchenfinanzen bekräftige Marx seine Forderung nach Transparenz. Die Kirche müsse deutlich machen, dass ihre finanziellen Mittel einer dreifachen Zweckbindung unterliegen: der Verkündigung des Evangeliums, auch in den Bereichen Kunst, Kultur und Kirchenbau, der Sorge für die Armen und dem Unterhalt der Menschen, die für die Kirche arbeiten. Die Kirche müsse ihr Vermögen nachhaltig anlegen, um von den Erträgen ihre Aufgaben zu finanzieren: „Alle reden von nachhaltiger Finanzwirtschaft, aber keiner macht es“, kritisierte Marx mit Blick auf die staatlichen Haushalte: „Wir als Kirche müssen aber auch an die Armen in 100 Jahren denken, an die Kirchen in 100 Jahren und an die Pfarreien in 100 Jahren.“ (ck/kel)
„Integration und Teilhabe für Jugendliche mit Förderbedarf“
Landeskomitee der Katholiken in Bayern befasst sich mit dem Thema „DIE Jugend gibt’s nicht“
Freising, 5. April 2014. Die Mitglieder des Landeskomitees der Katholiken in Bayern haben sich bei ihrer Frühjahrsvollversammlung am Freitag und Samstag, 4. und 5. April, in Freising mit dem Thema „DIE Jugend gibt’s nicht“ befasst. Gespräche mit Jugendlichen mit unterschiedlichen Hintergründen, mit Berufsschülern, jungen Flüchtlingen, Mitgliedern kirchlicher Jugendverbände vom Land und aus der Stadt sowie Jugendlichen aus dem Bereich der Jugendsozialarbeit, und einen Vortrag über zentrale Ergebnisse wissenschaftlicher Jugendstudien fassten die Laienvertreter in einem Arbeitspapier zusammen. Gefordert wird darin von den politisch Verantwortlichen, „gute Integration und Teilhabe speziell für Jugendliche mit Förderbedarf“ zu ermöglichen. Diese Jugendlichen müssten „trotz guter Beschäftigungslage gefördert werden“, heißt es in der Zusammenfassung der Ergebnisse des Studienteils der Vollversammlung.
Daneben zeigen sich die Mitglieder des Landeskomitees überzeugt, dass „niederschwellige und offene Angebote katholischer Jugendarbeit auch Kirchenferne erreichen“ könnten. Kirchliche Jugendarbeite biete zugleich „Chancen zum Ausprobieren“ wie auch „inhaltliche Tiefe“, wie die Jugendlichen selbst in den Gesprächen mit den Laienvertretern äußerten.
In einem Statement hat Weihbischof Florian Wörner, neuer Beauftragte für Jugendfragen der Freisinger Bischofskonferenz, die Bedeutung der Jugendpastoral unterstrichen: „Die Jugend ist Zukunft und auch Gegenwart der Kirche“, so Wörner, Nachfolger von Weihbischof Bernhard Haßlberger, der 16 Jahre lang Beauftragter für Jugendfragen war. Wörner rief zu einer „kreativen Konfrontation der Lebenswelt junger Menschen und des Evangeliums“ auf. Es gelte, Jugendliche zu stärken, damit „sie Verantwortung übernehmen, mitsprechen und mitgestalten können“. (ck)
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„Kirche darf sich von niemandem vereinnahmen lassen“
Vorsitzender des Landeskomitees Schmid ruft zu Auseinandersetzung mit Kriegsbegeisterung 1914 auf
Freising, 5. April 2014. Mit Blick auf das Gedenken zu 100 Jahren Erster Weltkrieg hat Albert Schmid, Vorsitzender des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, zu einer Auseinandersetzung mit der „großen Kriegsbegeisterung“ auch unter Christen in dieser Zeit aufgerufen. Im Gegensatz dazu erinnerte Schmid in seinem Bericht bei der Vollversammlung des Landeskomitees am Samstag, 5. April, in Freising an „das große Friedensgebet auf dem Petersplatz“ in Rom während der Syrienkrise. Darin zeige sich „katholische Verantwortung im Weltmaßstab“. Zugleich warnte Schmid: „Kirche darf sich von niemandem vereinnahmen lassen.“
Daneben rief Schmid die katholischen Laien zu einer vertieften Lektüre des Schreibens „Evangelii Gaudium“ von Papst Franziskus auf, der eine „Sprache spricht, die zu Herzen geht“. Die Detailkritik, die teilweise in der Öffentlichkeit an dem Text geübt werde, zeuge von einer „zentraleuropäischen Überheblichkeit“, von der es sich zu verabschieden gelte, so Schmid.
Ausdrücklich lobte der Landeskomitee-Vorsitzende die Umfrage zur Familiensynode als „sehr mutige Aktion“. Nichts von den Ergebnissen sei überraschend gewesen, sagte Schmid, dennoch sei die weltweite Erhebung über die Lage der Familien von entscheidender Bedeutung: „Das Wesentliche dieser Synode ist ihr Vorlauf.“
Als einen künftigen Schwerpunkt der Arbeit im Landeskomitee nannte Schmid das Thema Europa. Die zentrale Frage sei: „Sind wir eine Wertegemeinschaft oder nur ein technokratisches oder materialistisches System?“ In Debatten, die nur auf europäischer Ebene geführt werden könnten, etwa der Flüchtlingspolitik, sei besonders die katholische Kirche als über nationale Grenzen hinweg verfasste Institution gerufen: „Wer, wenn nicht eine katholische Kirche, nimmt Stellung zu einer europäischen Wertegemeinschaft?“ (ck)