Katholikengremium gegen generelles Kopftuchverbot
Landeskomitee der Katholiken für liberale Regelung vor Ort
Niederalteich, 24. April 2004 (IKL) Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern hat sich im Kopftuchstreit gegen ein generelles Kopftuchverbot ausgesprochen. Die Vollversammlung des Landeskomitees appellierte am Samstag, 24. April, mit großer Mehrheit im niederbayerischen Niederalteich an die Bayerische Staatsregierung und an den Bayerischen Landtag, das Gesetz zum Tragen eines Kopftuches von muslimischen Lehrerinnen an öffentlichen Schulen so zu gestalten, dass im Konfliktfall jeweils an Ort und Stelle eine Lösung gefunden werden könne, die dem Schulfrieden diene. Professor Bernhard Sutor, ehemaliger Vorsitzender des Landeskomitees, hatte einen entsprechenden Antrag damit begründet, dass in Bayern eine möglichst liberale und tolerante Lösung gefunden werden solle.
Ein ursprünglich zur gleichen Thematik eingebrachter Antrag der Landesstelle Bayern der Internationalen Katholischen Friedensbewegung Pax Christi hatte keine Mehrheit gefunden. Pax-Christi-Sprecher und Antragsbegründer Wolfgang Deixler hatte unter anderem damit argumentiert, dass das Gesetzesvorhaben der Bayerischen Staatsregierung die Religionsfreiheit, die Integration von Muslimen und die Toleranz ihnen gegenüber bedrohe. Walter Bayerlein, Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, hatte darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht mit seiner Rechtssprechung die ursprünglich vom Land Baden-Württemberg vorgesehene Einzelfallregelung „eindeutig verbaut“ habe. Der bayerische Entwurf geht nach seiner Einschätzung bis an die äußerste Grenze, um dennoch möglichst nahe an eine Einzelfallregelung heranzukommen.
Für seinen Antrag hatte Professor Sutor vor der Position eines reinen Laizismus gewarnt. Es gebe im gesellschaftlichen Raum Gruppen, die einem Kopftuchverbot zustimmten, weil dann auch christliche Symbole mit verboten werden könnten. Gegenüber den muslimischen Gläubigen lasse sich eine differenzierte Argumentation nicht ohne weiteres vermitteln. Ein generelles Kopftuchverbot werde als Angriff auf alle Muslime gedeutet. „Wir treiben diejenigen in den Fundamentalismus, die wir für die Integration gewinnen wollen“, sagte Sutor. Im übrigen gebe es in Bayern bislang keinen konkreten Fall. Man solle daher „nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, zumal dann nicht, wenn noch nicht einmal Spatzen da sind.“ (wr/ua)
Landeskomitee der Katholiken fordert bessere Entwicklungspolitik
Verpflichtungen für Wirtschaft, Politik und kirchliche Gremien
Gezieltere Bekämpfung der Armut in Osteuropa und der Dritten Welt
Niederalteich, 24. April 2004 (ILK) Forderungen für eine an Gerechtigkeit und Solidarität orientierte Entwicklungspolitik hat das Landeskomitee der Katholiken in Bayern an Wirtschaft, Politik, ebenso aber auch an katholische Gremien, Einrichtungen, Verbände und Nichtregierungsorganisationen in Bayern gerichtet. Bei ihrer Vollversammlung im niederbayerischen Niederalteich verabschiedeten die Delegierten aus den sieben bayerischen Bistümern am Samstag, 24. April, einen entsprechenden Forderungskatalog einstimmig. Er zielt auf eine bessere Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungspolitik in Deutschland. Vor allem wird eine gezieltere Bekämpfung der Armut in Osteuropa und in der Dritten Welt erwartet.
Die Wirtschaft wird aufgefordert, bei ihren Aktivitäten in den südlichen Ländern der Erde, aber auch in den Ländern Osteuropas allgemein anerkannte Standards bei den Menschenrechten, bei den Arbeitsverhältnissen und in der Umwelt zu beachten. So müssten insbesondere die Sozialstandards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und andere entsprechende Abkommen eingehalten werden. Dazu gehörten die Regelung der Arbeitszeiten, Arbeitsschutzmaßnahmen, die Zahlung von Mindestlöhnen wie auch Maßnahmen des Umweltschutzes. Dies solle durch neutrale Kontrolleinrichtungen überprüft werden. Produkte, die aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen, dürften nicht in den Handel kommen.
Den bayerischen Politikern wird eine besondere Verantwortung bei der Durchsetzung von Menschenrechten wie auch von Werten und Normen der sozialen Marktwirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit abverlangt. Von der Bayerischen Staatsregierung fordert das Landeskomitee einen jährlichen Bericht über alle entwicklungspolitischen Maßnahmen der verschiedenen Ressorts. Es müsse feste Ansprechpersonen in der Verwaltung für entwicklungspolitische Aktivitäten geben. Auch müssten Möglichkeiten und Richtlinien zur Förderung entwicklungspolitischer Projekte stärker als bisher bekannt gemacht werden. Schließlich sollten der Themenbereich Entwicklungspolitik und alle damit zusammenhängenden Fragen Bestandteil der Lehrpläne aller Schulen wie auch Aufgabe aller außerschulischen Bildungsarbeit sein. Alle öffentlichen Einrichtungen in Bayern, vom Bayerischen Landtag bis zum Rathaus der einzelnen Gemeinde, sollen künftig fair gehandelte Produkte oder Produkte aus regionaler Vermarktung verwenden.
Von kirchlichen Gremien, Einrichtungen, Verbänden und Nichtregierungsorganisationen in Bayern erwartet das Landeskomitee in der Entwicklungspolitik ein entschiedenes Handeln nach den Grundsätzen des christlichen Glaubens. Ziel sei es, in Ländern der Dritten Welt aber auch in Osteuropa menschenwürdige Zustände in Form von sozialer Gerechtigkeit und der Sicherung des Friedens sowie der Bewahrung der Schöpfung zu schaffen. Dazu gehöre eine Förderung, Qualifizierung und Stärkung der „entwicklungsbezogenen Bewusstseinsbildung auf allen Ebenen der katholischen Kirche in Bayern“. Die „armutsorientierte Solidaritätsarbeit in Form der Partnerschaftsarbeit von Diözese zu Diözese, von Pfarrgemeinde zu Pfarrgemeinde, von Verband zu Verband“ mit Osteuropa und den südlichen Ländern der Erde müsse intensiviert werden. (wr)
Nötiger „Druck von unten“ für eine gute Entwicklungspolitik
Landeskomitee der Katholiken diskutiert politischen Forderungskatalog
Augsburger Domkapitular: „Bei ethischer Globalisierung sind wir Zwerge“
Niederalteich, 23. April 2004 (ILK) Die Solidarität mit den armen Völkern der Erde braucht nicht nur Unterstützung und Förderung der großen internationalen Politik, sondern auch ein tragendes Bewusstsein in kleinen überschaubaren Gruppen der Gesellschaft, insbesondere im Raum der Kirche. Dies erklärte der Vorsitzende des Sachausschusses „Mission – Gerechtigkeit – Frieden“ im Landeskomitee der Katholiken in Bayern, Hans Häußler. Er teilte mit, dass es allein in den katholischen Pfarreien und Verbänden der sieben bayerischen Diözesen 1.475 Sachausschüsse zu dieser Thematik gibt, in denen mehr als 5.000 Frauen und Männer regelmäßig ehrenamtlich mitarbeiten.
Das Landeskomitee befasst sich vor dem Hintergrund dieser als beispielhaft geltenden ehrenamtlichen Arbeit am Freitag und Samstag, 23. und 24. April, im niederbayerischen Niederalteich mit einem Forderungskatalog zur Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Ohne Initiativen entsprechend engagierter Gruppen in Pfarrgemeinden und kirchlichen Verbänden und ohne Druck von unten lasse sich die Spaltung in Arm und Reich, die soziale Spannungen verursache und den Frieden gefährde, nicht überwinden, sagte Häußler am Freitag vor den Delegierten des Landeskomitees. Persönlicher und direkter Einsatz in Projektpartnerschaften, wie das durch viele dieser Gruppen geschehe, sei besonders wichtig, ebenso eine „politische Anwaltschaft“ für die Belange und vor allem die Armen der Dritten Welt.
Der für weltkirchliche Aufgaben der Diözese Augsburg zuständige Domkapitular Bertram Meier warnte vor der „Fehlentwicklung“, die Globalisierung nur unter dem Gesichtspunkt von Wirtschaftsbeziehungen und Finanzmärkten zu sehen. Eine Globalisierung, die nur auf technischen Fortschritt und ökonomischen Nutzen sehe, verliere schnell den Menschen aus dem Blick. „In der ökonomischen Globalisierung sind wir Riesen, in der ethischen Globalisierung Zwerge“, sagte Meier. Wer glaubwürdig von einer Weltgesellschaft spreche, müsse auch für ein weltweites Gemeinwohl und für eine „Globalisierung der Solidarität“ eintreten. Wer im Kampf gegen Armut und Ausgrenzung Fortschritte erzielen wolle, müsse den ärmeren Ländern die Schulden erlassen, forderte der Domkapitular.
Für das bayerische Wirtschaftsministerium teilte der Referatsleiter für Entwicklungszusammenarbeit, Georg Reichl, mit, die Staatsregierung erbringe jährlich Beiträge in einer Größenordnung von 4 bis 5 Millionen Euro als „Hilfen zur Selbsthilfe“ für Entwicklungszusammenarbeit. Die Mittel flössen vor allem in das Bildungswesen, die Berufsausbildung, in den Sozialbereich und würden für Ernährung und beim Umweltschutz ausgegeben. Hinzu kämen Hochschulkooperationen mit Entwicklungsländern und administrative Hilfestellungen, etwa Beratungen im Polizei- und Feuerwehrwesen. Reichl wies auch darauf hin, dass die Investitionen der Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern die öffentliche Entwicklungshilfe um ein Vielfaches überträfen.
Für eine Verwendung von fair gehandelten Waren in allen kirchlichen und staatlichen Einrichtungen Bayerns plädierte die Journalistin Astrid Uhr, Mitglied im entwicklungspolitischen Sachausschuss des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum München und Freising. Die Unterstützung fair gehandelter Waren sei im Rahmen der freien Marktwirtschaft sogar marktkonform. Die Produkte würden nicht staatlich subventioniert, sondern finanzierten sich selbst und seien von guter Qualität. Nach ihren Angaben profitieren mehr als eine Million Menschen in über 40 Ländern von fairem Handel und könnten dadurch ihr Leben menschenwürdiger gestalten. An Politiker, Unternehmer und Journalisten appellierte sie, auch in öffentlichen Stellungnahmen, Reden und Predigten für fair gehandelte Produkte zu werben. (wr)
Skepsis gegenüber Erweiterung der Europäischen Union
Landeskomitee-Vorsitzender befürchtet „unerwünschte Entwicklungen“
Kritik an Entscheidung der Bischofskonferenz zum Pfingstmontag
Passau/Niederalteich, 23. April 2004 (ILK) Die Aufnahme zehn neuer Mitglieder in die Europäische Union (EU) sieht der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Helmut Mangold, mit Skepsis. Er befürchte durch die Eingliederung der neuen Staaten „höchst unerwünschte Entwicklungen des Arbeitsmarktes und unseres Sozialstaates“. Dadurch könne Deutschland noch weiter in der EU zurückfallen, sagte er am Freitag, 23. April, vor der Presse in Passau zum Auftakt der Frühjahrsvollversammlung des Landeskomitees, die im niederbayerischen Niederalteich noch bis zum Samstag, 24. April, stattfindet.
In diesem Zusammenhang äußerte sich Mangold auch zur Diskussion um eine Aufnahme der Türkei in die EU. Mit einer Aufnahme dieses Landes gäbe es nicht nur neue wirtschaftliche und soziale Probleme, sondern auch „das vieldiskutierte Problem, wie Christentum und Islam in einer solchen Gemeinschaft harmonieren“. Es werde in den kommenden Jahren noch viel überlegt werden müssen, wie die 2,5 Millionen Muslime, davon 2 Millionen Türken, in der Bundesrepublik integriert werden könnten. Er hoffe darauf, dass sich in der europäischen Gesellschaft ein „europäisierter Islam“ entwickeln werde. Der Anschluss der Türkei an die EU setze voraus, dass dort ein solcher Islam existiere.
Wenige Tage vor Beginn der von der katholischen und evangelischen Kirche getragenen „Woche für das Leben“, die auf die Würde des Alters und des Sterbens hinweisen soll, warnte der Vorsitzende des Landeskomitees vor einer Kehrtwende in der Beurteilung der Euthanasie in Europa. Mangold wies auf den Euthanasiebericht des Schweizer Parlamentariers Dick Marty hin, der aktive Sterbehilfe unter bestimmten Bedingungen straffrei stellen will. Würde dessen Antrag vom Europarat angenommen, wäre dies eine „deutliche Kehrtwende“. Die kommende „Woche für das Leben“ sei daher eine Aufforderung, gegenüber solchen Bestrebungen „sehr wachsam“ zu sein.
Kritik übte Mangold an der Deutschen Bischofskonferenz, weil sie es abgelehnt habe, den Pfingstmontag im Zeichen der Ökumene als „Tag der Einheit im Glauben“ zu begehen. Der Pfingstmontag habe einen „sehr niedrigen liturgischen Rang“. Als kirchlicher Feiertag wäre er „am ehesten durch eine gemeinsame Festfeier der Christen zu stärken und letztlich als gesetzlicher Feiertag zu erhalten“. Es liege daher nahe, am Pfingstmontag einen „gemeinsamen Gottesdiensttag“ einzuführen, an dem die christlichen Kirchen „deutlich machen, dass ihnen an der Einheit eben auch deshalb viel gelegen ist, weil sie letztlich aus der gleichen Wurzel herkommen, und dass sie gerne zu dieser gleichen Wurzel zurück möchten“.
Vor dem Hintergrund notwendiger Sparmaßnahmen in den deutschen Bistümern plädierte Mangold dafür, darauf zu achten, dass auch die Laien und die Laiengremien Verantwortung in der Kirche übernehmen. Wenn beim Sparen von unverzichtbaren Kernfunktionen gesprochen werde, seien damit zunächst einmal Bereiche gemeint, wo der geweihte Priester unentbehrlich ist. Mangold wies in diesem Zusammenhang auf jüngste Äußerungen von Papst Johannes Paul II. hin, der die Bischöfe aufgefordert habe, die Laien zu unterstützen und sie zu befähigen, innerhalb der Strukturen der Mitwirkung auf Diözesan- und Pfarrebene in der Kirche Verantwortung zu übernehmen. Er hoffe, dass diese Äußerungen „einen weiterhin fruchtbaren Boden für die gemeinsame Arbeit bereiten könnten“. Bei ihrer Vollversammlung in Niederalteich beraten die Delegierten des Landeskomitees aus den Diözesanräten und kirchlichen Verbänden der sieben Bistümer einen Forderungskatalog für die Stärkung und den Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit mit armen Ländern der Erde. (wr)