Herbstvollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern:
„Wir leisten einen Heils- und Weltdienst“
Schmid fordert Ausrichtung des innerkirchlichen Dialogs an gesellschaftsrelevanten Themen
Katholiken sollen bei PID in naturwissenschaftliche Debatte einsteigen
Traunstein, 12. November 2010. Eine Ausrichtung des innerkirchlichen Dialogs zwischen Laien und Klerus an gesellschaftsrelevanten Themen forderte der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Albert Schmid, zum Auftakt der zweitägigen Herbstvollversammlung des Gremiums am heutigen Freitag, 12. November, in Traunstein. Dabei begrüßte er den Dialogprozess, den die Deutsche Bischofskonferenz mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken angestoßen hat. Schmid forderte in diesem Zusammenhang eine Rückbesinnung auf die „Schätze“ des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Die Möglichkeiten sind hier längst noch nicht ausgeschöpft“, so der Vorsitzende. „Es gibt für uns Katholiken keine Trennung von Heils- und Weltdienst, es ist unsere Hauptaufgabe, in Kommunikation mit der säkularen Gesellschaft zu treten“, betonte Schmid.
Daher sei es wichtig, dass Katholiken sich in politische Themen einmischten und in der Gesellschaft Zeugnis ablegten. Als Beispiel dafür nannte Schmid die aktuelle Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik (PID). An diesem Thema zeige sich, wie Naturwissenschaft und Theologie miteinander kommunizierten. Aus Respekt vor der Naturwissenschaft müsse die Kirche tief in die fachliche Debatte einsteigen und erst auf Basis fundierter Sachkenntnis die Frage nach der ethischen Verantwortung stellen. Die Kirche mit ihrem christlich-biblischen Blick auf den Menschen, also der Wertschätzung auch für die Schwachen und Unvollkommenen, könne die PID nur ablehnen und damit unterstreichen, dass das menschliche Leben von Beginn an schützenswert sei. „Wir müssen hier aber mehr als nur ein Verbot aussprechen, wir müssen vielmehr an die Verantwortung erinnern, die mit diesen Technologien verbunden ist – der Mensch darf nicht jede Grenze überschreiten, auch wenn er es könnte“, sagte Schmid.
In die Wertediskussion müssten sich die Katholiken auch zum Thema soziale Gerechtigkeit einbringen. So plädierte Schmid unter anderem für eine Verlängerung des Mutterschutzes, der in Deutschland mit 14 Wochen kürzer sei als im europäischen Vergleich mit bis zu 20 Wochen. Auch die Streichung des Elterngeldes für Empfänger von Arbeitslosengeld II bezeichnete er als ein falsches Signal. Generell müsse die Priorisierung bei den staatlichen Sparprogrammen und den Planungen dazu überdacht werden. Um die Folgen der bei weitem noch nicht überwundenen Finanzkrise zu bewältigen, müsse das Finanzsystem an den Kriterien der christlichen Sozialethik ausgerichtet werden. Die Herbstvollversammlung wird sich in einem Studienteil mit Perspektiven in der Finanzkrise beschäftigen und dazu einen Forderungskatalog diskutieren.
Angesichts der aktuellen Diskussion um das Verhältnis von Kirche und Staat erinnerte Schmid daran, dass dieses im Bayerischen Konkordat als partnerschaftliches Verhältnis konzipiert worden sei, das gerade im Interesse des Staates erhaltenswert sei. Der Ausgangspunkt der Debatte müsse der unverzichtbare Dienst an Staat und Gesellschaft sein, den die Kirche über ihr soziales und caritatives Engagement hinaus leiste: „In der Grundwerte- und der Freiheitspolitik baut der Staat auf Voraussetzungen auf, die er nicht selbst garantieren kann.“ (gob/kbr)
Mit starkem Europa die Wirtschaftsordnung mitgestalten
Erzbischof Marx fordert stärkere Kooperation auf internationaler Ebene
Traunstein, 13. November 2010. Um mit christlich geprägten Ideen in die weltweite Finanz- und Wirtschaftsordnung eingreifen zu können, seien auf europäischer und internationaler Ebene stärkere Absprachen notwendig. Dies forderte Reinahrd Marx, Erzbischof von München und Freising und Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, am Samstag, 13. November, bei der Herbstvollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern in Traunstein, die sich mit dem Thema „Das Geld regiert die Welt – wer regiert das Geld?“ beschäftigt hat. Auf Basis der Wertschätzung der dort zusammenlaufenden Traditionen müsse Europa gestärkt werden: „Wir müssen an Europa geistig und geistlich weiterarbeiten.“ Die Kirche könne dazu als „Kommunikationsforum“ dienen, denkbar sei zum Beispiel ein europäischer Katholikentag.
Dieses Anliegen unterstützte auch der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber. Europa müsse, so Weber, beim Aufzeigen von Möglichkeiten für die Neuordnung des Finanzsystems mutig vorangehen. In diesem Rahmen müsse auch die Kirche ihre europäische Dimension dokumentieren. Ein europäischer Katholikentag sei dazu ein ebenso geeignetes Mittel wie die Einflussnahme über das neue Instrument der europäischen Bürgerinitiative. „Keine andere Institution kann die dazu erforderlichen eine Million Unterschriften so leicht mobilisieren wie die katholische Kirche“, sagte Weber. Der Münchner Sozialethikprofessor Markus Vogt, Vorsitzender des Ausschusses „Arbeit – Wirtschaft – Umwelt“ des Landeskomitees, forderte, auf internationaler Ebene geeignete Institutionen zu schaffen, um nicht nur die akuten Probleme im Finanzwesen zu lösen, sondern auch die globalen Vernetzungen und Zusammenhänge zu analysieren und darauf aufbauend nachhaltige Lösungen für die Folgen der immer noch nachwirkenden Finanzkrise zu finden.
Georg Stoll, Referent für Verschuldung und Entwicklungsfinanzierung von Misereor, rief darüber hinaus zu einem interreligiösen Dialog auf, um der „allgemeinen globalen Schieflage“ zu begegnen, wie sie gerade von den Entwicklungsländern über die Finanzkrise hinaus wahrgenommen werde. Auch muss laut Stoll der Wohlstandsbegriff neu gefasst werden, wozu die Kirche mit ihrem „Modell von einem guten Leben“ beitragen kann.
Erzbischof Marx rief die Kirche auf, darauf hinzuwirken, „den Kapitalismus als Begriff und in der Sache zu überwinden“ zugunsten der sozialen Marktwirtschaft. Man dürfe den Kapitalismus mit seiner Zentrierung auf die Rendite und der Ablösung der Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft nicht als evolutiven Prozess verstehen, dem der Sozialstaat machtlos ausgeliefert sei. Er mahnte eine „Renaissance der politischen Gestaltungsfähigkeit“ an, um zum Beispiel die „Lebensrisiken“ mit Mitteln wie der Tarifautonomie oder der Kurzarbeit krisenfest abzusichern. Aufgabe der Kirche sei es, die Menschen auszubilden und zu motivieren, sich an dieser politischen Gestaltung zu beteiligen. Nur so könne man statt des Kapitals wieder die Arbeit in den Mittelpunkt stellen, die wiederum Teilhabe und Beteiligung ermögliche.
Auch Stephan Götzl, Präsident des Genossenschaftsverbandes Bayern, forderte ein Umdenken im Finanzsektor, von der derzeitigen kapitalmarktlichen Orientierung am Renditestreben hin zu einer „Stakeholder-Orientierung“, die über die Interessen der Kreditinstitute hinaus auch die Interessen der Kunden, der Mitarbeiter, der Umgebung und der „nächsten Generation“ in den Blick nehme. „Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen und nicht andersherum“, betonte Götzl. (kbr)
Kurswechsel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft
Landeskomitee fordert neue Architektur der Finanzmärkte
Traunstein, 13. November 2010. Eine neue Finanzarchitektur fordert das Landeskomitee der Katholiken in Bayern in der Abschlusserklärung zu seiner Herbstvollversammlung. Das Finanzwesen soll „nachvollziehbar und transparent sein, die Risiken klar benennen und sich an ökologischen, sozialen und fairen Kriterien orientieren“, heißt es in dem Forderungskatalog, den die etwa 80 Delegierten am 13. November in Traunstein einstimmig beschlossen. Er verlangt unter anderem eine Transaktionssteuer, eine maßvolle Vergütungskultur für Finanzmanager sowie eine Kontrolle der Rating-Agenturen.
Die Finanzkrise berühre die elementaren Fragen nach dem Leitbild des Wohlstandes, so die Erklärung. „Die Kirche kann hier wichtige ethische Grundlagen beisteuern, nach einem gesellschaftlichen Konsens gemeinsamer Werte suchen und nicht zuletzt selbst mit gutem Beispiel vorangehen.“ Die ökologisch-soziale Marktwirtschaft müsse global weiterentwickelt werden: „Nicht die Fixierung auf maximale Wachstums- und Gewinnraten, sondern die umfassende Förderung von Wohlstand und Lebensqualität der beteiligten Akteure bei Minimierung des Ressourcenverbrauchs ist global zukunftsfähig.“
Dazu müsse das Primat des politischen Handelns in neuer Weise wieder hergestellt werden. „Die Finanzmärkte sind in stärkerem Maße durch entsprechende Rahmenbedingungen der politischen Verantwortung zu unterstellen“, so der Forderungskatalog. Eine Steuer auf das mobile Kapital sei vonnöten, um spekulative Transaktionen zu dämpfen: „Je spekulativer, kurzfristiger und riskanter, desto höher.“ Die Finanzwirtschaft müsse in Bezug auf die Realwirtschaft eine dienende Funktion einnehmen. Die Erlöse aus der Transaktionssteuer könnten dann für die Finanzierung der wichtigsten internationalen Entwicklungsziele herangezogen werden: „Dadurch kann sich die Staatengemeinschaft den Millenniumszielen wie Halbierung der Armut, Primärbildung für alle Kinder, Gesundheitsversorgung der Mütter, Förderung von Frauen zur Existenzsicherung und Senkung der Kindersterblichkeit deutlich besser annähern.“
Mehr Kontrolle fordert das Landeskomitee auch in Bezug auf die Rating-Agenturen, die sich „neutralen und staatlich überwachten Kontrollen“ zu unterwerfen hätten, damit Abhängigkeiten der Agenturen von Akteuren auf dem Finanzmarkt vermieden oder zumindest transparent würden. Auch sei eine Diskussion über das Ethos von Managern nötig: „Das Bewusstsein für die gesellschaftliche Verantwortung wirtschaftlichen Handelns muss in Zukunft deutlich stärker in die Ausbildung von Ökonomen einfließen.“ Dies würde auch eine maßvollere Vergütungskultur in Bezug auf Gehälter, Abfindungen und Boni fördern.
Von jedem Einzelnen fordert das Landeskomitee einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld. Dieser sei „ein Angelpunkt für die Frage, wie wir als Einzelne, als Kirche und als politisch Engagierte heute christliche Werte in die Gesellschaft einbringen können und müssen“, so die der Erklärung zugrundeliegende Analyse. Geld als zentrales Medium des Tausches solle wirtschaftliche Entfaltung und Teilhabe ermöglichen. Die Wirtschaft müsse den Bedürfnissen der Menschen dienen und habe einen Gemeinwohl-Auftrag, der auch zukünftige Generationen erfasse, heißt es in der Abschlusserklärung. Eines der erfolgreichsten Konzepte zur Bekämpfung der Armut sei beispielsweise die Mikrofinanzierung. Es gelte, mehr Phantasie bei der Entwicklung ähnlicher Modelle zu beweisen, um der jeweiligen heimischen Wirtschaft günstiges Kapital für nachhaltige Investitionen zur Verfügung zu stellen. (gob)
Hinweis: Den vollständigen Text der Erklärung finden Sie hier.