Für „Geschlechtergerechtigkeit“ in Politik, Gesellschaft und Kirche
Strukturelle und individuelle Benachteiligung von Frauen beenden
Gegen „Diskussionsverbot“ über Zulassung von Frauen zu Weiheämtern
Freising, 8. November 2003 (ILK) Für „Geschlechtergerechtigkeit“ in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kirche hat sich die Vollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern ausgesprochen. Ein wichtiges Ziel sei „eine gesteigerte Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen“, heißt es in einem am Samstag, 8. November, von dem höchsten katholischen bayerischen Laiengremium in Freising diskutierten Positionspapier. Ursprünglich war eine Erklärung der Vollversammlung vorgesehen, die jedoch der Mehrheit der Delegierten zu wenig konkret und in den Forderungen nicht weitgehend genug war.
In dem Positionspapier, das dann Grundlage einer endgültigen Erklärung durch das Präsidium des Landeskomitees sein soll, heißt es, mehr als die Hälfte der Bevölkerung seien Frauen. Ihre Kompetenzen würden jedoch immer noch nicht in angemessener Weise wahrgenommen. Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands hänge davon ab, dass zwischen Frauen und Männern Chancengleichheit bestehe. Die strukturelle wie individuelle Benachteiligung von Frauen müsse beendet werden.
Im einzelnen werden gleiche Bedingungen für Frauen und Männer „für eine echte Wahlfreiheit bei ihrer Lebensgestaltung“ gefordert, insbesondere, aber nicht ausschließlich bei der Familienplanung. Wenn Frauen und Männer familiäre Verantwortung im Bereich der Kindererziehung oder auch bei der Betreuung und Pflege von Angehörigen übernehmen, müssten sie bei den sozialen Sicherungssystemen wie auch in der Kranken- und Rentenversicherung gesellschaftliche Solidarität erfahren. Familien- und Hausarbeit müssten den ihr angemessenen eigenständigen Stellenwert haben, Erziehungszeiten berücksichtigt werden. Eine Reihe von Delegierten sprach sich dafür aus, diese Wahlfreiheit nicht nur im Blick auf die Gestal-tung familiärer Verhältnisse, sondern auch auf die beruflichen Perspektiven von Frauen und Männern zu beziehen.
„Gewalt gegen Frauen“ ein umfassendes gesellschaftliches Problem
Unbeanstandet blieben die Positionsbestimmungen zum Thema „Gewalt gegen Frauen“, für das Landeskomitee ein umfassendes gesellschaftliches Problem. Dies reiche von sexistischen Witzen über eine Werbung, die die Würde der Frau missachte bis hin zu Vergewaltigung auch in der Ehe, sowie Zwangsprostitution und Frauenhandel. Die Gesellschaft müsse derartiges ächten und Projekte unterstützen, die solche Zustände verhindern oder bekämpfen.
Am intensivsten wurde der Vorschlag des Positionspapiers zum Thema von Frauen in der Kirche diskutiert. Die kirchliche Praxis, so die Mehrheitsmeinung, bleibe weit hinter positiven und konstruktiven Aussagen des kirchlichen Amtes zur Stellung von Frauen und Männern in der Kirche zurück. Mehrere Delegierte wollen, wie sie sagten, ein „Diskussionsverbot“ über die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern, also nicht nur zum Diakonat, sondern auch zum Priestertum und zum Bischofsamt, nicht akzeptieren. Die vom Amt angeführten Argumente überzeugten nicht. Daher sei ein Diskussionsverbot auch nicht sinnvoll. Wenn die Kirche Lebens- und Glaubenserfahrungen von Frauen nicht stärker als bisher berücksichtige, verliere sie wichtige Lebensbezüge, und sie drohe spirituell zu verarmen. Frauen müssten in hauptamtlichen wie ehrenamtlichen Aufgaben an Entscheidungsprozessen der Kirche gleichwertig beteiligt werden. (wr/ua)
Kein Gottesbezug in Europäischer Verfassung in Sicht
Kanzler Schröder und Außenminister Fischer sind mitverantwortlich
Vorsitzender des Landeskomitees der Katholiken kritisiert Regierung
Freising, 7. November 2003 (ILK) Der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Helmut Mangold, hat Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer mitverantwortlich dafür gemacht, dass es wahrscheinlich im Verfassungsvertrag für die Europäische Union keinen Gottesbezug geben wird. Die politische Lage sei für einen klaren Gottesbezug in der Präambel denkbar schlecht, sagte Mangold am Freitag, 7. November, in Freising zum Auftakt der Herbstvollversammlung des die Diözesanräte, katholischen Verbände und freien Initiativen in den sieben bayerischen Bistümern repräsentierenden Laiengremiums. Dem Kanzler wie auch seinem Außenminister scheine an einem solchen Bezug nichts zu liegen, kritisierte Mangold.
Appell an den Papst zur Seligsprechung des Staatsmannes Robert Schuman
In diesem Zusammenhang appellierte der Vorsitzende des Landeskomitees an Papst Johannes Paul II., die von vielen Seiten angestrebte Seligsprechung des französischen Staatsmannes Robert Schuman (1886-1963) zu verwirklichen. Schuman hatte zusammen mit dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem italienischen Politiker Alcide De Gasperi die politischen Grundlagen für das heutige Europa nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt. Mangold sagte, Schuman sei mit seiner Person ein lebendes Beispiel dafür gewesen, dass Europa wirklich aus christlichen Wurzeln entstanden sei.
Mit deutschen Steuergeldern wird in Deutschland verbotene Forschung finanziert
Wie wichtig ein Gottesbezug in einer Europäischen Verfassung wäre, zeigten gerade europäische Diskussionen um die Sterbehilfe und um die Forderung der Forschung an Embryonen. Nach Mangolds Auffassung ist es ein gravierendes Problem, dass derzeit mit deutschen Finanzmitteln in anderen Ländern eine Forschung an menschlichen Embryonen gefördert werde, die in Deutschland aus guten Gründen verboten sei. Bundesjustizministerin Zypries habe mit ihrer Forderung nach einer Freigabe der Forschung an Embryonen, die im Reagenzglas gezeugt und nicht in einen Mutterleib verpflanzt werden, das Feld zu einer grenzenlosen Forschung an Embryonen und damit an den begehrten Stammzellen geöffnet. Mangold kündigte eine breit angelegte Initiative in ganz Bayern an, mit der das Landeskomitee deutlich machen wolle, dass die Achtung vor der Menschenwürde auch für den Bereich der Bioethik, Biomedizin und Biotechnik uneingeschränkt gelten müsse.
Zu viele Beamte in Kommissionen über Neuordnung des Sozialstaats
In der Diskussion um eine Neuordnung der Sozialpolitik in Deutschland wandte sich Mangold gegen Kommissionen, die aus gut verdienenden beamteten Professoren und Bundestagsabgeordneten zusammengesetzt seien, die allesamt über Pensionen oder zumindest über beamtenähnliche Altersversorgungen verfügen könnten. Geschröpft würden aber fast ausschließlich Rentner der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherungen. Er wünsche sich eine Kommission, in der entsprechend diesem Bevölkerungsschlüssel 90 Prozent der Mitglieder Angehörige der gesetzlichen Rentenversicherung seien. Ihm erscheine die Einführung einer Bürgerversicherung mit einer flexibel gestalteten Einbeziehung aller Einnahmen noch am überzeugendsten.
Forderung nach Härtefallregelung in Bayern bei Zuwanderung
In der Frage der Zuwanderung und Integration sprach sich der Landeskomitee-Vorsitzende dafür aus, auch in Bayern eine Härtefall-Kommission einzurichten. Dagegen hatten sich bisher die Bayerische Staatsregierung wie auch die CSU gewandt. Das Landeskomitee wolle eine möglichst breit zusammengesetzte Härtefall-Kommission im Freistaat, in der Wohlfahrtsverbände, Flüchtlingsorganisationen, Kirchen, Ausländerbehörden und auch das Innenministerium vertreten seien. Mit einer solchen Kommission würde nach Mangolds Meinung die Staatsregierung erkennen lassen, dass sie außergewöhnliche Härten für Menschen abfedern wolle. In der Auseinandersetzung um das sogenannte Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts sprach sich Mangold für ein Verbot aus. Wenn eine Lehrerin bewusst ein solches Zeichen setze, das auch deutlich eine Unterordnung der Frau unter den Mann symbolisiere, dann sollte das „zu Recht verboten werden“. Es laufe der Auffassung von der Gleichberechtigung der Frau im Grundgesetz zuwider. In diesem Kontext warnte Mangold auch vor einem Anwachsen des islamischen Fundamentalismus in Deutschland.
In den Medien präsent bleiben, statt freiwillig in Nischen gehen
Von der katholischen Kirche in Deutschland forderte Mangold ein besseres Medienengagement. Die Kirche könne sich keine „freiwillige Nischenexistenz leisten“. Wörtlich sagte er: „Wir brauchen eine eigene, starke katholische Presse“. Deshalb sei er durchaus für sinnvolle Kooperationen im Kirchenzeitungsbereich, allerdings nicht in der Weise, wie das „in einer Art Geheimaktion ohne Beteiligung der dafür Zuständigen“ vor einiger Zeit mit der Kooperation des Regensburger Bistumsblattes mit der Katholischen Sonntagszeitung für das Bistum Augsburg geschehen sei. Das gelte auch sonst für Einsparungsmaßnahmen im kirchlichen Medienbereich. So habe neuerdings auch die Katholische Nachrichten-Agentur KNA Probleme. Für Mangold wäre es völlig kontraproduktiv, wenn die Zahl der Büros der KNA reduziert würde. Gerade im Nachrichtenbereich sei eine eigene Stimme der Kirche notwendig. Andernfalls bestehe die Gefahr, „dass bis auf einige Großveranstaltungen nicht mehr über uns berichtet wird“. (wr)
Für „Geschlechterdemokratie in allen Politikbereichen“
Landeskomitee der Katholiken diskutiert über Frau und Gesellschaft
„Weitgehend männliche Definitionsmacht“ in Politik und Privatleben
Freising, 7. November 2003 (ILK) Für „Geschlechterdemokratie in allen Politikbereichen unserer Gesellschaft“ hat sich die Leiterin des Fachbereichs Frauen im Bischöflichen Ordinariat Rottenburg-Stuttgart, Barbara Schwarz-Sterra, ausgesprochen. Die Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern müsse schrittweise aber konsequent hergestellt werden, sagte sie am Freitag, 7. November, im Freisinger Kardinal-Döpfner-Haus vor der Vollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, die sich grundsätzlich mit der Situation der Frau in Gesellschaft und Kirche befasst.
Die Geschlechterfrage ist nach Auffassung von Frau Schwarz-Sterra eine „Querschnittsaufgabe“ für die Politik. Alle Maßnahmen, Entscheidungen und Konzeptionen müssten daraufhin überprüft werden, welche Folgen sie jeweils für Männer und Frauen hätten. Wenn es gelinge, einen solchen „Umbau“ zu vollziehen, werde dies auch zu einem „radikalen Wertewandel“ führen. Vorerst gehe es um die Verbesserung der Arbeits- und Lebensqualität für beide Geschlechter und um den Abbau von Benachteiligungen für Frauen und Männer.
Die Frauenreferentin propagierte die auch von internationalen frauenpolitischen Konferenzen vertretene „Gender-Mainstreaming-Methode“. Danach sollen die spezifische Situation der Geschlechter und die Geschlechterverhältnisse analysiert und so zur Grundlage für politische Planungen, Entscheidungen und Aktivitäten gemacht werden. Das bedeute, Abschied zu nehmen vom „Mythos der Geschlechterneutralität“. Politische Maßnahmen und Auswirkungen von Planungen auf Männer und Frauen müssten bewusst reflektiert werden.
Auch in der katholischen Kirche engagieren sich nach Angaben von Frau Schwarz-Sterra seit langer Zeit besonders Frauen, zunehmend auch Männer, um „verfestigte geschlechtshierarchische Rollenzuschreibungen zu hinterfragen“ und an entsprechenden Veränderungen zu arbeiten. So spiele die „Gender-Thematik“ im Bildungsbereich seit den 90er Jahren eine Rolle. Auch in bayerischen Diözesen sei „Geschlechtergerechtigkeit“ ein Thema und stehe bei Bildungsangeboten von Verantwortlichen der Frauenarbeit auf der Tagesordnung.
Die Frauenreferentin des Bistums Rottenburg-Stuttgart beklagte das Fehlen einer Familienpolitik, die für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Rahmenbedingungen geschaffen hätte. Niemand bestreite, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der demographischen Entwicklung und dem Geburtenrückgang in Deutschland gebe. Verschwiegen würden allerdings die Faktoren, die dazu geführt hätten: „Eine weitgehend männliche Definitionsmacht in Politik, Gesellschaft, Arbeitsleben und im Privatverhältnis“. (wr)