Albert Schmid: „Konflikte in der Landwirtschaft zivil austragen“
Landeskomitee der Katholiken verurteilt Eskalation der Milchdiskussion
Katholische Laien wollen das Potenzial des ländlichen Raums stärken
Würzburg, 13. November 2009. Die aktuellen Konflikte in der Landwirtschaft zivil und mit dem Ziel einer gemeinsamen Lösung auszutragen, forderte Albert Schmid, Vorsitzender des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, am Freitag, 13. November, zu Beginn der Herbstvollversammlung des Gremiums in Würzburg. „Durch provokative Aktionen wie ein Haberfeldtreiben können keine sachgerechten Lösungen gefunden werden“, betonte Schmid und distanzierte sich ausdrücklich von den aktuellen Eskalationen. Er appellierte an die Vertreter der Landwirtschaftsverbände, einen vernünftigen Stil der Auseinandersetzung zu finden. Im Rahmen seiner zweitägigen Vollversammlung beschäftigt sich das Landeskomitee mit der Zukunft der ländlichen Räume und wird dazu eine Erklärung verabschieden.
Dem Landeskomitee gehe es vor allem darum, die Stärken und Potenziale der ländlichen Räume in den Vordergrund zu rücken, sagte Schmid. Der ländliche Raum habe keine gleiche Lebensqualität wie städtische Regionen, aber eine gleichwertige. „Der ländliche Raum hat etwa durch seine Mehrgenerationenstruktur einen sozialen Eigenwert“, erklärte Schmid. Soziale Strukturen wie zum Beispiel das Zusammenleben der Generationen könnten im ländlichen Raum besser realisiert werden und würden den Staat in sozialen Aufgaben entlasten. Solche positiven Erfahrungen würden zum Beispiel mit stadtviertelbezogenen Mehrgenerationenhäusern auch auf urbane Räume übertragen.
Als besonderes soziales Netzwerk wolle sich das Landeskomitee für die Rolle der Familie stark machen und dazu beitragen, christliche Werte in die säkulare Gesellschaft hineinzutragen. „Als Christen sind wir dazu verpflichtet, kritische Positionen zu äußern“, so Schmid. Daher wolle man sich im Nachklang der Bundestagswahl und der Koalitionsverträge dafür einsetzen, dass Themen wie Familie und Bildung eine höhere politische Priorität erhalten. Speziell beim Thema Schule wolle man sich nicht damit zufrieden geben, dass christliche Wertevermittlung auf den Religionsunterricht reduziert werde. Sie müsse alle Bereiche des Unterrichts betreffen, vom Deutschunterricht über die Kunsterziehung bis zur Geschichte.
In die Gesellschaft hineinwirken könnten Christen auch durch ein gemeinsames Zeugnis für den Glauben und eine offensivere Ökumene. In Hinblick auf den 2. Ökumenischen Kirchentag, der 2010 in München stattfinden wird, betonte Schmid: „Wir wollen eine wirkliche Einheit, wir wollen uns nicht mit bloßer friedlicher Koexistenz zufrieden geben. Die Einheit muss sich auf ausgetragene Gegensätze gründen.“ (kbr/ua)
Maßgeschneiderte Konzepte für ländliche Entwicklung
Landwirtschaftsminister Brunner für mehr regionale Wirtschaftskreisläufe
Prälat Meier warnt vor Auslösung der dörflichen Pfarrgemeinde
Würzburg, 13. November 2009. Maßgeschneiderte Konzepte für die Entwicklung der einzelnen ländlichen Regionen in Bayern forderte der Bayerische Landswirtschaftsminister Helmut Brunner beim Landeskomitee der Katholiken in Bayern am Freitag, 13. November, in Würzburg. In seiner Vielfalt präge der ländliche Raum das Erscheinungsbild Bayerns, deshalb könne es keine einheitlichen Lösungen, sondern nur auf die jeweilige Situation abgestimmte Maßnahmen geben. Die Vertreter von Diözesanräten, katholischen Verbänden und kirchlichen Initiativen in den sieben bayerischen Bistümern beschäftigten sich bei ihrer Herbstvollversammlung mit der Zukunft des ländlichen Raums.
Besondere Bedeutung für den ländlichen Raum hätten Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft, so Brunner. Ziel der Staatsregierung sei es, die Wirtschaftskraft der Betriebe zu verbessern und sie bei der Modernisierung zu unterstützen. Es brauche aber auch mehr regionale Wirtschaftskreisläufe, die die Wertschöpfung vor Ort belassen. Die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums hängt nach Ansicht des Landwirtschaftsministers wesentlich von der Verfügbarkeit neuer Technologien ab. Die Staatsregierung wolle mit der flächendendeckenden Versorgung des Landes mit Breitbandtechnik in den nächsten zwei Jahren die Grundlage dafür schaffen.
„Die wirklichen Sorgenkinder sind die abseitig gelegenen Räume, die teilweise am Rande nationaler Wirtschaftsräume liegen“, sagte Professor Otmar Seibert von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Um strukturellen Entwicklungsdefiziten zu begegnen, müssten sich die Menschen auf dem Lande mit eigener Kraft um die eigenen Belange kümmern. Gemeindeübergreifende Allianzen könnten öffentliche Dienstleistungen ebenso sichern wie Netzwerke zwischen Stadt und Land. Für die Gemeinschaft in den Dörfern leisteten Frauen einen entscheidenden Beitrag, sagte Christa Reiterer, Landesvorsitzende der Bayerischen Landfrauenvereinigung. Sie gestalteten christliches Brauchtum und pflegten Traditionen. Beides sei für die Identitätsbildung der Dorfbewohner wichtig. „Nur wenn die Menschen ihre Region als Heimat begreifen, werden sie Kräfte entwickeln, ihr Leben dort zu gestalten“, sagte Reiterer.
Prälat Bertram Meier: „Kirche als Seele des ländlichen Raums“
Vor einer Auflösung der dörflichen Pfarrgemeinde als eigenständiger kirchlicher Raum warnte der Bischöfliche Beauftragte für das Landeskomitee, Prälat Bertram Meier. Sie führe zur Anonymisierung und Verflüchtigung des Glaubens. Da die Diözesen nicht mehr in einzelne Dorfgemeinden einen geweihten Pfarrer entsenden könnten, müssten Formen gefunden werden, die der sakramentalen Struktur der Kirche ebenso gerecht werden wie dem Wunsch, die Kirche im Dorf zu lassen. „Ich wünsche mir, dass die Kirche die Seele des ländlichen Raumes sei“, sagte Meier. „Seelsorge meint nicht nur, die Menschen in ihrer zeitlichen Lebensgeschichte zu begleiten, sondern ihnen auch zu helfen, ihren Platz im Leben zu finden. (ua/kbr)
Überschaubare Lebensräume, stabiles Umfeld, hoher Freizeitwert
Landeskomitee der Katholiken fordert: Stärken des ländlichen Raumes erhalten
Politik, Kirche und Gesellschaft sollen Probleme auf dem Land gemeinsam meistern
Würzburg, 14. November 2009. Die Stärken des ländlichen Raumes mit überschaubaren Lebensräumen, einem stabilen sozialen Umfeld, qualifizierten Arbeitsplätzen und einem hohen Freizeit- und Erholungswert müssen erhalten bleiben. Dies stellten die Delegierten der Vollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern in einer am Samstag, 14. November, in Würzburg verabschiedeten Erklärung fest. Sie forderten die Verantwortlichen in Politik, Kirche und Gesellschaft auf, Probleme wie mangelnde Infrastruktur, hohe Arbeitslosigkeit, niedrige Einkommen oder Abwanderung gemeinsam anzugehen und zu meistern.
Die Dörfer in Bayern zeichneten sich dadurch aus, dass Menschen im täglichen Miteinander Gemeinschaft erfahren könnten. Diese Gemeinschaft sei vom Einsatz aller mit ihren je eigenen Talenten und der Integration von Zugezogenen und Fremden geprägt. „Ein besonderes Markenzeichen der Gemeinschaft sollte die Wertschätzung der Familien sein“, heißt es in der Erklärung. Dies gelinge besser, wenn die Generationen sich als Bereicherung erlebten. Die demografische Entwicklung werde die Dörfer in Bayern in den nächsten Jahrzehnten gravierend verändern. Auch wenn der Rückgang an Gläubigen und der Wertewandel in der Gesellschaft neue Wege in der Pastoral erforderten, müsse „die Kirche im Dorf gelassen“ werden. Die Kirche dürfe sich mit ihrem pastoralen Angebot nicht aus den Dörfern zurückziehen.
„Die Land- und Forstwirtschaft hat auch künftig eine wichtige Funktion“, stellten die Vertreter aus Diözesanräten, katholischen Verbänden und kirchlichen Initiativen fest. Eine multifunktionale Landbewirtschaftung gewinne für die Ernährungssicherung, für Landschaftspflege, Naturschutz und dezentrale Energiegewinnung zunehmend an Bedeutung. Der Klimawandel werde das gesamte Leben verändern, so die Erklärung. Die absehbare Erschöpfung fossiler Energiequellen verlange nach einem funktionierenden Netz öffentlicher Verkehrsmittel. Gut ausgebaute Telekommunikationsstrukturen könnten darüber hinaus unnötige Verkehrströme vermeiden. Gleichzeitig müssten Arbeitsplätze und innovative Arbeitsformen auf dem Land geschaffen werden.
Die Bildungskonzepte für ländliche Räume sollten sich nach Ansicht des Landeskomitees am Grundsatz „Kurze Beine, kurze Wege“ orientieren, damit Kinder vor Ort lernen könnten. Dieses Ziel gelte prinzipiell auch für Einrichtungen und Angebote der beruflichen Aus- und Weiterbildung, der verbandlichen und offenen Jugendarbeit sowie der Erwachsenenbildung. Zudem müssten verstärkt Hochschul- und Forschungseinrichtungen auf dem Land angesiedelt werden. Da die Globalisierung alle Lebensbereiche erfasse und in der Tendenz regionale und lokale Besonderheiten nivelliere, müssten regionale Kultur und Wirtschaft gestärkt und der ländliche Raum so als Heimat für die Menschen gestaltet werden. (ua)