Angesichts der Ausbreitung des Coronavirus und der damit zusammenhängenden Einschränkungen gewinnen die sozialen und seelsorglichen Dienste der katholischen Kirche an Bedeutung und tragen zu ihrer Glaubwürdigkeit bei. Gerade deshalb müssen der angemessene Umgang mit früheren und die Prävention vor künftigen Missbrauchsfällen für die Kirche unverzichtbare Ziele bleiben.
Ziel
Die katholische Kirche hat in den vergangenen Jahren viele Anstrengungen unternommen, um den dramatischen sexuellen Missbrauch in den eigenen Reihen und den damit verbunden Machtmissbrauch aufzuklären sowie finanzielle und therapeutische Leistungen aufzubauen.
Diese Aufarbeitung der Vergangenheit darf nicht vernachlässigt werden. Zusätzlich soll nun ein Konzept entwickelt werden, wie in Gegenwart und Zukunft alles getan wird, um Kinder und Jugendliche zu schützen, Täter abzuschrecken und diesen abscheulichen Taten Einhalt zu gebieten. Hierzu ist die Solidarität aller gefordert. Es ist darüber hinaus eine unabhängige professionelle Anlaufstelle dringend erforderlich.
Idee
In jedem (Erz-)Bistum wird eine Unabhängige Ombudsstelle „Prävention und Schutz helfen“ (PUSH) eingerichtet. Sie wird von der jeweiligen (Erz-)Diözese finanziert, arbeitet weisungsfrei und unabhängig. Sie befindet sich in eigens angemieteten Räumen außerhalb kirchlicher Institutionen. Über ihre Tätigkeit gibt sie einen öffentlichen Jahresbericht mit anonymisierten Daten heraus.
Zusammensetzung
Drei Personen (zwei Frauen und ein Mann): ein/e Psychologe/in, ein/e Sozialpädagoge/in und ein/e Jurist/in. Diese Personen und deren Ehegatten, Lebenspartner sowie Angehörige ersten Grades dürfen in keinem Abhängigkeitsverhältnis oder einer anderen engen Beziehung zum jeweiligen Bistum oder einem Verband oder einer Einrichtung in katholischer Trägerschaft stehen.
Vorschläge hierzu werden bei der jeweiligen Bezirksregierung eingereicht, von der dort angesiedelten Heimaufsicht geprüft und die Personen berufen.
Organisationsform
Die unabhängige Ombudsstelle PUSH wird als gemeinnütziger Verein oder in einer anderen geeigneten unabhängigen Rechtsform organisiert. Die Stelle wird von der Heim-aufsicht der jeweiligen Bezirksregierung fachlich begleitet. Diese Begleitung und Aufsicht
erstreckt sich nur auf die Organisationsform, nicht jedoch auf die im Beratungsteam tätigen
Personen oder auf die in den Beratungen zur Sprache gebrachten Fälle und Personen.
Jährlich wird ein Haushalt aufgestellt, der bei der jeweiligen (Erz-)Diözese beantragt wird und zu genehmigen ist, wenn eine unabhängige Wirtschaftsprüfungskanzlei den Etatplan als stimmig bewertet. Die Abrechnung über vergangene Jahre erstellt ebenfalls eine solche Kanzlei.
Arbeitsweise
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, aber auch besorgte Eltern, Familienangehörige sowie Menschen aus dem Umfeld der Betroffenen können sich anonym an die Ombudsstelle wenden. Die Dienstleistung ist kostenfrei. Es geht dabei um Vorgänge der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit.
Vorrangig werden Hilfesuchende beraten, die einen Verdacht gegen Priester, Ordensangehörige, Verantwortliche in kirchlichen Verbänden oder Beschäftigte im kirchlichen und caritativen Dienst äußern.
Die Beratung ist vertraulich. Das Beratungsteam wägt ab, wie in Abstimmung mit dem möglichen Opfer bzw. dessen Sorgeberechtigten weiter zu verfahren ist. Das Beratungsteam vermittelt – soweit notwendig und sinnvoll – weitere Hilfen und zieht gegebenenfalls weitere Fachleute hinzu. Insbesondere der Kontakt zu den Präventions- und Interventionsbeauftragten der Diözesen ist hier empfehlenswert.
Das Beratungsteam reflektiert mit der jeweils betroffenen oder sorgeberechtigten Person, ob eine Strafanzeige zu erwägen ist. Eine Strafanzeige wird jedoch nicht gegen den Willen des Opfers oder der sorgeberechtigten Person gestellt.
Bestehen Hinweise, dass auch andere Personen Opfer geworden sind, gilt dieser Ausschluss nicht. In einem solchen Verdachtsfall erfolgt eine Meldung an die Staatsanwaltschaft. Zeitgleich vermittelt das Beratungsteam auf Wunsch einen Opferanwalt für die betroffene Person. Das Beratungsteam wirkt auf eine Strafanzeige durch das Opfer beziehungsweise die sorgeberechtigte Person hin, mindestens aber auf eine Information an den Träger der betroffenen Einrichtung. Zugleich vermittelt das Beratungsteam auf Wunsch einen Opferanwalt.
Als Leitlinie können zum Beispiel der „Handlungsleitfaden bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch“, herausgegeben von der Katholischen Jugendfürsorge, oder andere anerkannte Dokumente dienen.
Zusammenarbeit mit dem Bistum
Das jeweilige (Erz-)Bistum erhält grundsätzlich den Jahresbericht und bei Bedarf anonymisierte Zwischenberichte von der Ombudsstelle. Bei Strafanzeigen wird das Bistum erst über die Staatsanwaltschaft über die Ermittlungen informiert.
Die Ombudsstellen PUSH sollen in ihrer (Erz-)Diözese zudem die Benennung von geeigneten lokalen Ansprechpersonen in den Pfarrgemeinden anregen und begleiten, über die sich mögliche Betroffene oder Sorgeberechtigte leichter an PUSH wenden können. Dazu zählt auch ein zertifiziertes Fortbildungsprogramm für diese Ansprechpersonen, für das sich die Ombudsstellen PUSH fachliche Unterstützung in und außerhalb der Kirche holen können.
Vom Präsidium des Landeskomitees der Katholiken in Bayern in einer Videokonferenz
am 14. April 2020 einstimmig beschlossen.
Die zugehörige Pressemitteilung lesen Sie hier.
Titelgrafik: AdobeStock/XtravaganT
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