Die Deutsche Bischofskonferenz stand in ihrer Frühjahrsvollversammlung 2019 unter dem Eindruck der so genannten MHG-Studie („Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“), die im September 2018 vorgestellt worden war. Um den fatalen Ursachen dieser Missbrauchsfälle auf den Grund zu gehen und um langfristig dafür strukturelle Abhilfe zu schaffen, rief sie den so genannten Synodalen Weg aus und lud das Zentralkomitee der deutschen Katholiken zur Mitwirkung ein.
Wörtlich übersetzt meint der Begriff der Synode einen gemeinsamen Weg, den man beschreiten möchte. Wenn sich Bischöfe sowie Haupt- und Ehrenamtliche in der katholischen Kirche gemeinsam auf den Weg machen, der auch auf bislang unbekanntes Terrain führt, kann Glaube wachsen und tiefer werden.
Allerdings haben nicht nur die Folgen der Coronapandemie die Planungen für den Synodalen Weg gehörig durcheinander gewirbelt, sondern auch viele unterschiedliche Vorstellungen über den Reformbedarf in der Kirche, die quer durch alle Linien der Mitglieder der Synodalversammlung und der vier Foren erkennbar werden, machen ein Vorankommen auf dem gemeinsamen Weg mühsam.
Grundvoraussetzung für ein Gelingen des gemeinsamen Vorhabens ist nach Auffassung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, dass die Bischöfe bereit sind, echte Partizipation zu ermöglichen – sowohl beim Synodalen Weg selbst als auch grundsätzlich. Diese Anforderung erstreckt sich auf alle vier Foren des Synodalen Weges:
- Macht und Gewaltenteilung in der Kirche –
Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag - Priesterliche Existenz heute
- Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche
- Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft
Entscheidungsfindungen müssen bereits in den Pfarrgemeinden, Seelsorgegemeinschaften und Dekanaten, aber auch in den Diözesen sowie auf den interdiözesanen Ebenen möglichst breit angebahnt werden. Nur wenn die Bischöfe und alle verantwortlichen Führungskräfte bereit sind, auch die Gremien des Laienapostolats, Verbände, freie Initiativen und letztlich alle Gläubigen an Planungen, Entscheidungen und Handlungen der Kirche maßgeblich zu beteiligen, kann Partizipation gemäß dem Prinzip der tätigen Teilhabe („participatio actuosa“) gelingen.
Die Machtbalance eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates, in dem jede Entscheidung der verantwortlichen Stellen demokratisch legitimiert sein muss und gerichtlich überprüft werden kann, sollte von der Kirche als der Gemeinschaft von Gläubigen, die in einem solchen Staat leben und diese demokratischen Rechte ausüben, aufgegriffen werden. Die im öffentlichen System bewährte Gewaltenteilung mit Legislative, Exekutive und Judikative sollte auch in der Kirche eingeführt werden.
Das Landeskomitee fordert auf der Basis der Erfahrungen in den eigenen Gremien des Laienapostolats und in den Verbänden, synodale und demokratische Formen der Entscheidungsfindung und Mitbestimmungsmöglichkeit auf möglichst viele Bereiche kirchlichen Handelns auszuweiten, um so wirklich einen gemeinsamen Weg zu beschreiten. Den Gläubigen ist es zunehmend wichtig, dass sie für sich einen Mehrwert erkennen, um künftig noch zu einem Engagement in der Kirche bereit zu sein. Der Mehrwert kann individuell und gemeinschaftlich in einem Zuwachs an Spiritualität, an Empathie, an Vertrauen, an Hoffnung und auch an Gemeinschaft sowie an Überzeugungskraft bestehen.
Im Sinn einer größtmöglichen Transparenz regen wir einen regelmäßigen Bayerischen Pastoralen Partizipationsbericht (BPPB) an, mit dem ehrenamtliches Engagement und Teilhabemöglichkeiten gemessen und wertgeschätzt werden können. An der Entwicklung und an den Ausführungsrichtlinien wird sich das Landeskomitee maßgeblich beteiligen. Folgender Kriterienkatalog kann als Maßstab für die Partizipationsmöglichkeiten dienen:
- Partizipation
- Werden Ideen von strategischer Tragweite für die Pfarrgemeinden, Seelsorgeeinheiten, Dekanate oder für die Diözesanebene transparent und gemeinsam entwickelt?
- Werden die Gremien des Laienapostolats, der Kirchenverwaltungen und der Diözesansteuerausschüsse von Anfang an in die Planungen involviert?
- Werden Gläubige und engagierte Mitglieder der genannten Gremien vor Personalentscheidungen gehört und welche Rolle spielt ihr jeweiliges Votum bei der Entscheidung?
- Initiativrecht
- Wie wird den Gläubigen und Gremien des Laienapostolats die Option eröffnet, eigenständig Projekte anzuregen, Strategien zu entwickeln und Strukturprozesse einzuleiten?
- Sind die in einer Gemeinde zur Verfügung stehenden Ressourcen für Gruppen der Pfarrgemeinde eigenverantwortlich zugänglich und nutzbar?
- Überprüfbarkeit
- Wie wird eine Entscheidungsfindung nachvollziehbar und gibt es im Fall eines Rechtsverstoßes Beschwerdemöglichkeiten?
- Gibt es Kontrollinstanzen oder bleiben Entscheidungen und Handlungen einer Kontrolle entzogen?
- Welche Befugnisse haben Kontrollinstanzen, wer gehört ihnen an und wer entscheidet über deren Besetzung?
- Wertschätzung
In welcher Form und in welchem Ausmaß wird die Wertschätzung ehrenamtlichen Engagements im gesamten kirchlichen Handeln messbar zum Ausdruck gebracht?
- Sanktionsmöglichkeit
Greifen Sanktionen, wenn Entscheidungsfindungen nachweislich den genannten Kriterien nicht genügen, und in welcher Form?
Wir empfehlen der Freisinger Bischofskonferenz, einen Preis auszuloben, mit dem regelmäßig Beispiele für besonders gelungene Partizipation ausgezeichnet werden. Der Titel des Preises kann lauten: „Pars Pro Toto“. Dieser Begriff bedeutet, dass engagierte Gläubige mit ihrem Einsatz nie nur für sich stehen, sondern beispielhaft für die gesamte Kirche.
Wenn es den Verantwortlichen in allen bayerischen (Erz-)Diözesen auf den jeweiligen Handlungsebenen gelingt, die genannten Kriterien für Partizipationsmöglichkeiten der Gläubigen zu erfüllen, können wir uns gemeinsam auf den Weg machen, damit der „Synodale Weg“ eine nachhaltige Wirkung für die Kirche entfalten kann.
Vom Präsidium des Landeskomitees der Katholiken in Bayern am 29. Juli 2021 einstimmig verabschiedet.
Die Beratungen und Einzelabstimmungen fanden in der Vollversammlung am 17. April 2021
und in einer separaten Diskussionsrunde mehrerer Mitglieder am 27. Juli 2021 statt.
Beitragsbild: ZDK/Synodaler Weg
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