Die Herbstvollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern hat am Samstag, 11. November 2006 in Nürnberg, einstimmig Basisforderungen für die Zukunft der Hauptschule in Bayern verabschiedet. Die an die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gerichteten Forderungen haben folgenden Wortlaut:
Eine Zukunft für die Hauptschule
Basisforderungen des Landeskomitees der Katholiken in Bayern
Die Hauptschule ist eine besonders wichtige Schulart in Bayern
Die Hauptschule in Bayern ist als eigenständige Schulart von hoher Bedeutung und benötigt dafür die gesellschaftliche Wertschätzung.
Die Hauptschule sieht die fachliche Bildung, die Hinführung zu Werthaltungen und die ganzheitliche Persönlichkeitsbildung als grundlegenden schulischen Auf-trag. Daran orientiert sich ihre inhaltliche Ausgestaltung.
Vor diesem Auftrag sind für die Weiterentwicklung der Hauptschule in erster Linie folgende Anforderungen einzulösen:
1. Jede Hauptschule braucht ihr eigenes Profil
Die Hauptschule vor Ort definiert ihr eigenes Profil. Dieses Profil orientiert sich an den örtlichen Gegebenheiten sowie der Zusammensetzung der Schule. Es ist vor allem darauf ausgerichtet, die anvertrauten Jugendlichen individuell so zu fördern und zu begleiten, dass sie nach Abschluss der Hauptschule erfolgreich in ein selbstverantwortetes Leben wechseln können. Der Ausbau der individuellen Förderung muss dahin führen, dass jeder einen Schulabschluss er-reicht.
2. Die Hauptschule braucht flexible Stundentafeln
In der Hauptschule werden die Jugendlichen in einem ganzheitlichen Ansatz sowohl fachlich als auch persönlichkeitsentwickelnd gefördert. Die dafür erforderlichen Freiräume sind über eine flexible Stundentafel zu schaffen.
3. Schule und Beruf müssen verzahnt werden
Die Verzahnung mit der auf die Jugendlichen zukommenden beruflichen Lebenswirklichkeit ist auszubauen und auch von Seiten der aufnehmenden Arbeitswelt aktiv zu unterstützen. Dazu gehört insbesondere auch der Ausbau der Betriebspraktika.
4. Die Hauptschule braucht die Kooperation mit den Eltern
Der ganzheitliche Ansatz und eine gelingende Erziehungspartnerschaft erfordern das Zusammenspiel aller Beteiligten. Dabei sind die Eltern in besonderer Weise zur unterstützenden, kooperativen Mitarbeit eingeladen.
5. Jede Hauptschule braucht Jugendsozialarbeit an Schulen
Die Hauptschule muss auf die nötige Personalausstattung aus den Bereichen Lehrkräfte, Sozialarbeit, Diagnostik und Therapie zugreifen können. An jeder Hauptschule muss es neben Lehrkräften auch sozialpädagogisches Personal geben. Kinder- und Jugendpsychologen müssen auch kurzfristig abgefordert werden können. Externe Fachkräfte sind als subsidiäre Unterstützung erforderlich.
6. Die Hauptschule braucht veränderte Fortbildungsmaßnahmen
Bei der besonderen und sich verändernden Verantwortlichkeit der Schule müssen Auswahl und Fortbildung von Führungskräften ausgebaut werden. Fortbildungsmöglichkeiten für das schulische Personal müssen in Hinblick auf die besonderen Anforderungen neu gestaltet werden.
7. Die Hauptschule braucht ein bedarfsgerechtes Nachmittagsangebot
Eine optimale individuelle Förderung bedeutet auch den Ausbau eines bedarfsgerechten Nachmittagsunterrichts, der zu sinnvoller Freizeitgestaltung anregt. Damit ehrenamtliches Engagement weiter möglich bleibt, soll dieser zeitlich begrenzt sein. Um Kooperationen beispielsweise mit verbandlicher Jugendarbeit zu ermöglichen, bedarf es einer Öffnung der Hauptschule für diese Angebote.
8. Die wohnortnahe Hauptschule muss flächendeckend erhalten bleiben
Zu weite Wege und zu große Schulen vergrößern das Gewaltpotential und beeinträchtigen die individuelle Förderung der Schüler. Deshalb muss die wohnortnahe Hauptschule flächendeckend erhalten bleiben.
Nürnberg, 11. November 2006
Diskussion um Zukunft der Hauptschule in Bayern:
Mehr Wertschätzung in Medien und Gesellschaft notwendig
Hauptschüler Hauptansprechpartner bei Handwerk und Industrie
Nürnberg, 11. November 2006 (ILK) Die Hauptschule in Bayern genießt bei Industrie und Handwerk große Wertschätzung, nicht jedoch in Teilen der Gesellschaft, wo sogar tendenziös von „Restschule“ gesprochen werde. Dem müsse entschieden durch Perspektiven für die Zukunft und ein neues Profil der Hauptschulen begegnet werden. Dazu genügten nicht nur Worte und Bekenntnisse, sondern es müssten auch die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Dies ist das Ergebnis einer Podiumsdiskussion, die Delegierte der Herbstvollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern mit dem bayerischen Kultusminister Siegfried Schneider und Repräsentanten aus der Wirtschaft sowie Lehrern, Eltern und Schülern aus Hauptschulen am Samstag, 11. November, in Nürnberg führten.
Kultusminister Schneider sagte, die Diskussion um die Zukunft der Hauptschule habe an Brisanz gewonnen. Zum Teil werde das Thema in unverantwortlicher Weise behandelt. Ziel der Bildungspolitik im Freistaat sei und bleibe es, gerechte Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen zu eröffnen und sie so auf ihr persönliches und berufliches Leben gut vorzubereiten. Dazu bedürfe auch einer intensiven Kooperation mit Wirtschafts- und Finanzpolitikern. Alle Untersuchungen bestätigten, dass in Bayern die Hauptschule und ihre notwendige Weiterentwicklung auf einem guten Fundament aufbauen könne. Über alle Schularten hinweg könnten sich die Schüler aus Bayern sehen lassen und sie könnten im nationalen und internationalen Vergleich auch mithalten, sagte der Kultusminister. Er warnte davor, Bildung und Bildungserfolg auf Gymnasium und Hochschulstudium zu reduzieren. Diese Verkürzung führe zu schiefer Wahrnehmung in den Medien und in der Gesellschaft. Die Schulen müssten stärker zum Lebensraum ausgebaut werden. Dazu gehörten Kooperationen unter anderem mit Lehrern, Eltern, Vertretern der Kirche, des Sportes, der Wohlfahrtsverbände und des Bayerischen Jugendringes.
In der Diskussion hatte Vertreter aus Industrie und Handwerk deutlich gemacht, dass nach wie vor der größte Teil der benötigten Fachkräfte in ihren Bereichen aus der Hauptschule komme. Hauptschüler stellten auch den größten Anteil bei den Auszubildenden. Dabei würden jedoch wachsende Anforderungen an die Qualifikation der Hauptschüler wie auch Erwartungen an ihre Flexibilität gestellt. In Handwerksbetrieben gelte bei Ausbildern vielfach die Auffassung, ein guter Hauptschüler sei besser als Realschüler oder Gymnasiasten. Wenn es um die Ausbildung von Fachkräften gehe, sei die Hauptschule nach wie vor der Hauptansprechpartner. Ein Elternvertreter sagte unter Hinweis auf die Ausbildungssituation, sowohl bei Eltern wie Schülern gebe es die Angst, dass nicht genug Ausbildungsplätze zur Verfügung stünden. Der Bundesvorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft (KEG), Bernhard Buckenleib, appellierte an die Politik, die Hauptschulen bei der Entwicklung eines eigenen Profils nachdrücklich zu unterstützen. Diejenigen Schulen, die sich unter dieser Perspektive auf den Weg machen wollten, sollten verlässlich wissen, wie es in den nächsten Jahren weitergehen könne und welche Planungssicherheit sie hätten.
Die Vollversammlung in Nürnberg befasste sich auf Antrag des Landesverbandes Bayern des Katholischen deutschen Frauenbundes (KDFB) mit negativen Auswirkungen einer gesundheitspolitischen Entscheidung der Großen Koalition in Berlin. Im Koalitionsvertrag war unter anderem vereinbart worden, dass „Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt an die gesetzliche Krankenversicherung schrittweise auf Null zurückgeführt“ werden sollen. Dies betrifft auch freiwillige Leistungen der Krankenkassen für Mütter im Krankheitsfall. Bisher war eine entsprechende Familienpflege etwa bei Unfall oder schwerer Erkrankung oder Problemschwangerschaft bei einer Frau als freiwillige Leistung von Krankenkassen finanziert worden. Einstimmig kritisierte die Vollversammlung, die jetzige Änderung führe bereits zu schwierigen Situationen. Die drohenden Kürzungen beträfen besonders Familien mit kleinen Kindern. Das Landeskomitee appellierte sowohl an die Bischöfe wie auch an die Bayerische Staatsregierung, sich für die Absicherung der Unterstützung von Familien im Krankheitsfall der Mutter, insbesondere bei ambulanter Behandlung, einzusetzen. Die Unterstützung von Familien mit Kindern sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und könne im Krankheitsfall nicht allein den Familien aufgebürdet werden. (wr/ua)
Statt Strukturdebatten gesellschaftliche Probleme behandeln
Landeskomiteevorsitzender Mangold will „neuen Anfang“ setzen
Herbstvollversammlung diskutiert über Laienarbeit in der Kirche
Nürnberg, 10. November 2006 (ILK) Der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Helmut Mangold, hat alle Mitglieder des Gremiums dazu aufgerufen, künftig verstärkt und vordringlich gesellschaftliche Probleme zu behandeln. Er wies in diesem Zusam-menhang auf die von vielen Delegierten des Landeskomitees nach wie vor als problematisch bewertete Neustrukturierung der Laienarbeit im Bistum Regensburg hin. Vor der Herbstvollversammlung appellierte er am Freitag, 10. November, in Nürnberg an die Delegierten, „nicht immer nur Regensburg auf die Tagesordnung zu setzen, sondern vordringlich gesellschaftliche Probleme zu behandeln“. Dies sei schließlich die Hauptaufgabe des Landeskomitees. Es müsse um das gemeinsame Ziel gehen, die Laienarbeit in „allen“ bayerischen Bistümern mitzugestalten und als Gesprächspartner vieler gesellschaftlicher Gruppen, insbesondere auch der Politik auf Landesebene, auftreten zu können.
Mit dem Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller, habe er am Rande des Papstbesuches gesprochen und dabei „manche Vorbehalte ausräumen können“. Wörtlich sagte der Vorsitzende des Landeskomitees: „Lassen Sie uns einen neuen Anfang wagen – immer in der Hoffnung, dass die Andeutungen von Bischof Müller in einem Interview, seine Statuten wären für Veränderungen offen, vielleicht eines Tages doch zu Modifikationen führen, die wir mittragen können.“ Bischof Müller hatte vor einem Jahr die Laienarbeit in seinem Bistum neu strukturiert, den bis dahin auch im Bistum Regensburg bestehenden Diözesanrat der Katholiken, der die Pfarrgemeinderäte und kirchlichen Verbände des Bistums repräsentierte, durch ein Diözesankomitee abgelöst, dem ausschließlich Vertreter der Verbände angehören. Er hoffe, „dass die klassische Struktur der Laienarbeit im Bistum Regensburg wiederhergestellt wird“, sagte Mangold.
In einer Plenumsdiskussion der Delegierten des Landeskomitees wurden unterschiedliche Positionen geäußert. Unter anderem wurde gesagt, in diese Angelegenheit müsse „endlich Ruhe einkehren“, es dürfe „kein Öl ins Feuer gegossen werden“. Die in das Landeskomitee als Einzelpersönlichkeit berufene Professorin für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Regensburg, Sabine Demel, erneuerte ihre Kritik, wonach die Regensburger Neustrukturierung das Selbstverständnis der Laienarbeit auf der Basis des II. Vatikanischen Konzil und der Würzburger Synode in Frage stelle. Die Laien müssten sich fragen, ob sie die ihnen zugesprochene Eigenverantwortung ernst nehmen und gegebenenfalls auch dafür kämpfen wollten.
Der langjährige Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Walter Bayerlein, sieht im Vergleich der Diözesanräte mit dem Regensburger Diözesankomitee eine „unterschiedliche Legitimationsbasis“. Er stelle die Kooperation mit den Delegierten des Regensburger Diözesankomitees im Landeskomitee nicht in Frage. Dennoch seien in Regens-burg ordnungsgemäß gewählte Delegierte des Diözesanrates von der Mitarbeit ausgeschlossen worden. Einen „Weg der Biegsamkeit und Beugsamkeit“ in der Einschätzung der Mitarbeit der Laien halte er für verhängnisvoll. Eine „echte inhaltliche Debatte“ über die Rolle der Laien muss auch nach Ansicht des Präsidenten des Bayerischen Landtags, Alois Glück, „um der Kirche willen“ geführt werden, und zwar in einer Weise, dass es unter den Bischöfen „nicht zu einer Weckung falscher Solidaritätszwänge“ komme.
Andere Delegierte wie der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg, Albert Schmid, und der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) in Bayern, Edgar Schiedermeier, empfahlen einen pragmatischen Kurs. Man müsse auch mit offenen und ungelösten Konflikten leben, be-stimmte Entwicklungen zunächst einmal „so stehen lassen“ und auf Veränderungen hoffen, sagte Schmid. Schiedermeier rief dazu auf, jetzt „Fakten zu akzeptieren“. Das Landeskomitee sei ein Gremium, dem Delegierte aus allen sieben bayerischen Bistümern angehörten, „auch wenn uns das eine oder andere nicht gefällt“. Der Vorsitzende Mangold teilte mit, es werde ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der Freisinger Bischofskonferenz, Kardinal Friedrich Wetter, mit dem Präsidium des Landeskomitees geben. Das Ergebnis der Diskussion der Herbstvollversammlung soll dazu vom Geschäftsführenden Ausschuss des Landeskomitees zusammengefasst und allen bayerischen Bischöfen zugestellt werden. (wr)