Medienrats-Vorsitzender kritisiert Astro-Shows
Autoritäre Beratung und verschleierte Geschäftspraktiken
Menschliche Notlagen werden vor dem Bildschirm ausgenutzt
München, 29. November 2006 (ILK) Der Vorsitzende des Bayerischen Medienrates, Erich Jooß, hat die von privaten Fernsehanbietern in der Form von Lebensberatung ausgestrahlten sogenannten „Astro-Shows“ scharf kritisiert. In einem Kommentar für die vom Landeskomitee der Katholiken in Bayern herausgegebene Zeitschrift „Gemeinde creativ“ warf er den Betreibern der Shows „autoritäre, sehr direktive“ Beratung vor, die neue Abhängigkeiten und die Gefahr von Entmündigung schaffen könne. Außerdem kritisierte er Geschäftspraktiken dieser Gratis-Beratungen am Bildschirm, die, einschließlich der Gewinnung von Adressen, „geschickt verschleiert bleiben“.
Die Astro-Shows stießen ganz offensichtlich auf vermehrtes Interesse, das mit dem wachsenden Bedarf an Lebensberatung in der Gesellschaft zusammenhänge, stellte Jooß fest. Außer allgemeinen gesetzlichen Regelungen gebe es in Deutschland keine gesonderten Vorschriften und auch keine Form des Verbraucherschutzes für Lebensberatung, der gerade in diesem Bereich dringend notwendig wäre. Hilfesuchende, die sich an Astro-Shows wendeten, seien oft Menschen, die sich in existenziellen Entscheidungsnotlagen befänden. Es sei zu fragen, wer sich der Verantwortung und Fürsorgepflicht gegenüber diesen Menschen stelle und wer etwa bei falschen Lebensdiagnosen die Haftung übernehme.
Die Betreiber von Astro-Shows hätten ein ausschließlich kommerzielles Interesse. Sie kauften als Spartenanbieter Sendezeiten und wendeten sich hauptsächlich an Ratsuchende, die den Weg in eine qualifizierte Beratungsstelle nicht fänden oder sich schämten, dort hinzugehen. Wörtlich erklärte Jooß: „An die Stelle einer seriösen Beratung treten für die Ratsuchenden nicht weiter hinterfragbare, weil undurchschaubare Lebensrezepte und Weisungen.“ Lebensberatung brauche Kompetenz, Einfühlung, Sorgfalt und Intimität. Dies könnten Astro-Shows nicht gewährleisten. Sie nützten stattdessen menschliche Notlagen aus und gäben „rasche Antworten, wo ein nachdenkliches, respektvolles Eingehen auf die Hilfesuchenden erforderlich wäre“.(wr)