Als Landeskomitee der Katholiken in Bayern, das die in Räten, Verbänden, Organisationen und Initiativen engagierten Gläubigen der katholischen Kirche in Bayern repräsentiert, formulieren wir hiermit Beobachtungen, Ideen und Anregungen für ein aktives und verantwortliches Mitwirken in den pastoralen Entwicklungsprozessen in den sieben bayerischen (Erz-)Diözesen.
Die folgenden Überlegungen sind von den Mitgliedern des Landeskomitees in der Vollversammlung am 10./11. November 2017, in einer Vor- und Nachbereitungsgruppe sowie im Geschäftsführenden Ausschuss vorgebracht, diskutiert und als zukunftsweisend befunden worden.
Beobachtungen und Ausgangspunkte[1]
- Die Tendenz seitens der Bischöfe und der Ordinariate, größere pastorale Einheiten (Pfarreiengemeinschaften, Pfarrverbände, Seelsorgeeinheiten o.ä.) zu planen, hält ungebrochen an.
- Gleichzeitig wird prinzipiell an der Leitung der Gemeinden durch einen Priester (Pfarrer) festgehalten. Dazu sollen verstärkt auch Geistliche im Ruhestand eingebunden werden.
- Neue, kollegial orientierte Leitungsmodelle werden zwar erprobt, deren Konzeption ist zum Teil aber noch unklar. Ähnlich verhält es sich mit der Frage, ob und wie die klassische Pastoral in der Fläche (Territorialprinzip) künftig stärker mit pastoralen Zielgruppen und Aufgabenfeldern (kategoriale Seelsorge) vernetzt werden soll.
- Sowohl haupt- als auch ehrenamtliche Laien sollen künftig intensiver in neue Leitungsteams eingebunden werden. Dazu zählen pastorale und administrative Leitungsaufgaben gleichermaßen. Die Kompetenzen und die Verantwortungsbereiche der neuen Führungskräfte sind allerdings häufig noch nicht definiert.
- Der künftige Stellenwert der Pfarrgemeinderäte (PGR) ist weitgehend ungeklärt. Auf diözesaner Ebene sind die Einflussmöglichkeiten der Räte unterschiedlich ausgeprägt.
- Die Kooperation von PGR und Kirchenverwaltungen soll prinzipiell intensiviert werden.
- Die Bedeutung der Verbände spielt keine nennenswerte Rolle oder wird als deren Autonomie beschrieben.
Ideen, Anregungen und Vorschläge
- Räte und Verbände sollten verstärkt darauf achten, dass sie bei den pastoralen Planungen zeitnah eingebunden werden und auf die Entwicklung pastoraler Prozesse aktiv Einfluss ausüben können. Diese Anregung betrifft zunächst die diözesane Ebene, letztlich aber auch die Ebene der Gemeinden und der Dekanate. Hier muss auch das Potenzial der Verbände besser genutzt werden. Dort, wo pastorale Leitung stattfindet, braucht es ein gewähltes Laiengremium. Darauf sollten Bischöfe und Pfarrer in ihren Zuständigkeitsbereichen achten.
- Gefordert ist in allen Belangen das gesunde Selbstbewusstsein des katholischen Laienapostolats, denn es trägt dazu bei, Hoffnung zu vermitteln und Menschen von Ängsten zu befreien. Angst bremst positive Entwicklungen und konstruktive Lösungen aus und sie ist generell, zumal in der Kirche, kein guter Ratgeber. Kirche will vielmehr Hoffnung verbreiten.
- Der in Satzungen und Ordnungen verankerten Kooperation der Pfarrgemeinderäte und Kirchenverwaltungen muss künftig deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, zumal die personellen Ressourcen auch im Bereich der Ehrenamtlichen tendenziell ab- statt zunehmen.
- Die Vernetzung der territorialen mit der kategorialen Seelsorge wird künftig eine größere Bedeutung erlangen. Hier sollten neben der nötigen Vergrößerung der pastoralen Räume deutlich mehr Planungsressourcen investiert werden.
- Insbesondere das Zugehen, Ansprechen, Einladen und Integrieren von neu Zugezogenen (Migranten und Deutsche gleichermaßen), aber auch von Menschen, die der Kirche zunehmend distanziert oder indifferent gegenüber stehen, lohnt jede Kraftanstrengung. Die fachlichen Kompetenzen in den Diözesen können die Gemeinden in personeller, materieller und in ideeller Hinsicht noch deutlich besser nutzen.
- Es gilt Wege zu finden, wie die Schätze und Begabungen von Gläubigen noch besser in den tragenden Säulen unserer Kirche ihren Ausdruck finden können: Gottesdienst, Dienst in der Verkündigung nach außen, Dienst am Nächsten und Dienst für die Gemeinschaft. Die bereits in der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils formulierte „tätige Teilhabe“ („participatio actuosa“, vgl. „Sacrosanctum Concilium“ Nr. 21) sollte zu Überlegungen hin zu so genannten „personae probatae“ führen. Damit sollte der Einbindung von wertvollen Begabungen der Gläubigen der Weg geebnet werden. Neben der Qualifikationsfrage wäre zu klären, welche Zugangskriterien künftig für den priesterlichen und diakonischen Dienst in der Kirche nötig und sinnvoll sind.
- Oft ist es gerade für junge Menschen schwer, ihren Platz in der Kirche zu finden und sich aktiv einzubringen. Damit sie ihre Anliegen nicht nur äußern können, sondern diese auch zu Veränderungen führen, braucht es neue Ideen, wie Partizipation, Authentizität und Wertschätzung junger Menschen in der Kirche auf allen Ebenen erfahrbar werden kann.Insbesondere bedarf es einer ehrlichen und strukturell verankerten Beteiligung junger Menschen an allen Weiterentwicklungsprozessen der (Erz-)Diözesen.
- Die Wertschätzung der sonntäglichen Eucharistiefeier als die Hochform liturgischen Feierns wird im Recht der Gläubigen auf die gemeinschaftliche Messfeier greifbar. Sie kann deshalb nicht regelmäßig und dauerhaft durch eine Kommunionausteilung im Rahmen einer Wortgottesfeier ersetzt werden.
- Gemeinden leben von liturgischen und auch anderen Versammlungsformen. Gläubige suchen sich jedoch mehr und mehr ihren spezifischen Ort von Kirche, territoriale und personale Gemeindebilder vermischen sich zunehmend.
- Die Gemeinschaft der Gläubigen braucht auf örtlicher Ebene geeignete und offene Räume. Umwidmungen oder Schließungen von Kirchengebäuden oder kirchlichen Versammlungsräumen ohne Beteiligung der betroffenen Gläubigen gefährden die Gemeinschaft der Kirche auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene.
- Es gibt eine Reihe von guten Beispielen der ökumenischen Zusammenarbeit, die in der pastoralen Praxis der Gemeinden bisher nur bedingt eine Rolle spielen, wie etwa die Telefon- oder Notfallseelsorge. Berührungsängste zwischen den Konfessionen sind überholt. Künftig sollten die Synergieeffekte einer intensivierten Kooperation der Kirchen besser nutzbar gemacht werden, zumal Außenstehende die unterschiedlichen Konfessionen kaum als solche wahrnehmen. Alle Christen können sich so stärker als Getaufte empfinden und damit eher auf das Verbindende als auf das Trennende achten. Zudem stellt sich die theologische Grundsatzfrage, ob die Mahlgemeinschaft tatsächlich erst am Ende eines Einigungsprozesses der Kirchen stehen muss.
- Vereinzelt wurden bereits Erfahrungen mit synodalen Strukturen und Elementen in der katholischen Kirche gesammelt. Wir erinnern hier insbesondere an die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, die von 1971 bis 1975 in Würzburg stattfand. Um aber den Menschen von heute echte Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten einzuräumen, müssen künftig die theologische Begründung und die Fortentwicklung synodaler Strukturen seriös angegangen werden.
Diese Überlegungen beziehen sich nicht nur auf strukturelle Reformen, sondern zielen vor allem auf einen Mentalitätswandel bei allen Beteiligten ab. Nicht die „neuen Schläuche“, also Strukturveränderungen, sollten im Vordergrund stehen, sondern die biblische Botschaft und das Evangelium Jesu Christi, die nach wie vor „junger Wein“ sind (vgl. Paul M. Zulehner, Neue Schläuche für jungen Wein. Ostfildern 2017).
Vom Geschäftsführenden Ausschuss des Landeskomitees der Katholiken in Bayern
am 9. April 2018 einstimmig beschlossen.
[1] Diese Beobachtungen gehen zurück auf eine Umfrage des Landeskomitees unter den Diözesanräten in den bayerischen (Erz-)Diözesen, die im Frühjahr 2017 fundierte Angaben zu den dort laufenden und noch ausstehenden pastoralen Entwicklungen lieferten.
Fotos: Kiderle und Privat
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