Positionspapier des Landeskomitees zur Landtagswahl 2023
Als Landeskomitee der Katholiken in Bayern ist es unser Anspruch, die Themen der ehrenamtlichen Laien in der katholischen Kirche nicht nur innerkirchlich zu vertreten, sondern diese auch in die gesellschaftliche und politische Diskussion einzubringen. Als Gesellschaft stehen wir vor mannigfachen Herausforderungen – da sind die Folgen der Corona-Pandemie, die uns noch immer begleiten, der Krieg in der Ukraine, Energiekrise und Inflation sowie der Klimawandel, um nur einige Schlaglichter zu nennen. Dies alles hat Auswirkungen auf Schule und Bildung, auf das Arbeitsleben, auf den Gesundheitsbereich, auf die Kräfteverhältnisse in unserer Gesellschaft, auf Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Am 8. Oktober 2023 werden die Menschen in Bayern einen neuen Landtag wählen. Vor diesem Hintergrund wollen wir als Vertreterinnen und Vertreter des katholischen Laienapostolats in Bayern unsere Forderungen und Lösungsideen an die politisch Verantwortlichen im Freistaat übermitteln, um gemeinsam und zielgerichtet Wege zu finden, diesen herausfordernden Zeiten zu begegnen.
Mit Sorge beobachten wir seit Jahren ein Auseinanderdriften der Gesellschaft. Die Schere zwischen arm und reich wächst – was sich durch unterschiedliche Studien und nicht zuletzt den 6. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung auch zahlenmäßig belegen lässt. Und mit ihr wachsen die Unzufriedenheit und Zukunftsangst vieler. Dadurch erhöht sich die Gefahr (rechts-)populistischer, radikalisierter und antisemitischer Entwicklungen in unserem Land. Von verantwortungsvollen Politikerinnen und Politikern erwarten wir, dass sie sich hiervon nicht vereinnahmen lassen, dass sie ihre Sprache mit Bedacht und Sorgfalt wählen und allen Menschen durch ihr Auftreten und ihre Wortwahl Wertschätzung und Würde entgegenbringen. Die vergangenen Jahre haben bereits deutlich gezeigt, wie wichtig Demokratiebildung und Demokratiebefähigung sind und dass wir dieses Gut immer wieder neu stärken müssen.
Neben wichtigen Angeboten der politischen Bildung sind die Medien ein wesentlicher Baustein in unserem demokratischen System. Sie haben den Auftrag, komplexe Inhalte und Zusammenhänge verständlich aufzubereiten, zu informieren und den Bürgerinnen und Bürgern zu helfen, sich auf Basis von Argumenten eine eigene Meinung zu bilden. Diese wichtige Aufgabe für die Gesellschaft wird maßgeblich durch eine starke, vielseitige und unabhängige Medienlandschaft in Deutschland garantiert.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht seit Jahrzehnten für Programm- und Meinungspluralität und muss in einer wachsenden Medienlandschaft als auch in Zeiten multipler Krisen ein Garant für geprüfte Information und damit für einen qualitativ hochwertigen Journalismus sein. Außerdem gilt, dass er seinem gesetzlichen Programmauftrag von Information, Bildung und Unterhaltung weiterhin gleichermaßen nachkommen kann. Daran darf sich nichts ändern, im Gegenteil, dieser Programmauftrag muss gestärkt werden. Hier sehen wir die Politik in einer klaren nachhaltigen Verantwortung.
Der Abbau einer zunehmenden Bürokratisierung und Überregulierung in allen Bereichen ist notwendig. Entbürokratisierung darf nicht einen Mehraufwand für andere Ebenen bedeuten, sondern muss zu einer spürbaren Entlastung und effizienteren Prozessen führen.
Nachhaltiges Denken und Handeln auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Gesellschaft bildet die Grundlage für die kommenden Jahre. Daher haben wir die nachfolgenden Punkte unter dem Titel
„Unsere Forderungen für ein nachhaltiges Bayern“ formuliert:
Sozial
Die Corona-Pandemie hat wie ein Brennglas auf Probleme gewirkt, die schon vor Ausbruch der Pandemie da gewesen waren und die sich durch den Ausbruch der Pandemie deutlich verschärft haben. Viele dieser Herausforderungen finden sich im sozialen Bereich:
Kinder, Jugendliche und ihre Familien
Familien in ihren unterschiedlichen Lebenslagen waren während der Corona-Pandemie nicht genügend im Blick der Politik – und sie sind es auch jetzt nicht. Die Zahl psychisch erkrankter Kinder und Jugendlicher ist alarmierend. In Kindertageseinrichtungen und Schulen mangelt es in erschreckender Weise an Erzieherinnen und Erziehern sowie Lehrkräften, was schließlich zu einem Bildungsnotstand führt. Es ist nicht zu akzeptieren, dass gute Bildung und Ausbildung immer noch von den finanziellen Möglichkeiten und vom sozialen Status der Familie abhängen. Die Lösung kann hier nicht nur sein, Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Bundesländern abzuwerben, sondern die Studienbedingungen zu verbessern und das Referendariat so zu verändern, dass die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer positiv auf den Beruf vorbereitet werden. Wir fordern die neue Staatsregierung auf, hier rasche und geeignete Maßnahmen zu ergreifen und Kinder und Jugendliche vielmehr als bisher in den Blick zu nehmen: sie sind unser aller Zukunft. Konkret muss im Ausbildungsbereich die Möglichkeit einer Teilzeitberufsausbildung für wesentlich mehr junge Menschen zugänglich sein. Allein das Vorhandensein von gesetzlichen Möglichkeiten reicht nicht aus. In Bayern gelingt es nicht, ministeriumsübergreifend die Rahmenbedingungen für Jugendliche, Betriebe und (Berufs-)Schulen aufeinander abzustimmen. Insbesondere innovative Ansätze in diesem Bereich müssen besser unterstützt und gefördert werden. Neben der schulischen muss auch die außerschulische Bildung mehr in den Blick genommen werden. Dazu gehört das informelle Lernen in der Jugend(verbands)arbeit, die endlich bedarfsgerecht ausgestattet werden muss.
Zukunft der Gesundheitsversorgung
Vor allem in ländlichen Bereichen gab es schon vor der Pandemie Defizite in der medizinischen Versorgung. Die Corona-Pandemie hat unser Gesundheitssystem dann an den Rand des Kollapses gebracht. Wir erwarten, dass die notwendigen Lehren aus der Corona-Krise gezogen werden, dem Fachkräftemangel im gesamten Gesundheits- und Pflegebereich entgegengewirkt und die Gesundheitsversorgung in Bayern auf krisensichere Beine gestellt wird. Dazu sollen zum Beispiel die Rahmenbedingungen für Pflegekräfte verbessert sowie die Pflegeberufe innerhalb der Gesellschaft gestärkt und aufgewertet werden. Betten allein helfen niemandem, wenn die Pflegekräfte fehlen, um die Patienten darin zu betreuen. Vorhandene Strukturen, beispielsweise bei der Beratung und Begleitung pflegender Angehöriger von Menschen jeden Alters, müssen gestärkt und erhalten werden. Und: es darf nicht vom Zufall des Wohnorts abhängen, ob Menschen eine passende und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung erhalten oder nicht. Etwaige Reformen der Krankenhausversorgung dürfen nicht zu Lasten des ländlichen Raumes gehen. Wir fordern weiterhin eine wohnortnahe stationäre wie auch ambulante Versorgung. Daher gilt es vor allem, die ländlichen Regionen Bayerns hier nicht aus dem Blick zu verlieren und dort gezielt Maßnahmen zu einer Verbesserung der Situation zu ergreifen. Zu einer guten medizinischen Versorgung gehört gerade für Kinder, Jugendliche und ältere Menschen eine ausreichende und rasche medizinische Versorgung, die in der Vergangenheit nicht immer sichergestellt war.
Auch müssen die Lehren aus der Corona-Pandemie hinsichtlich einer bedarfsgerechten psychosomatischen und psychiatrischen Versorgung gezogen werden.
Bezahlbarer Wohnraum – Ausbau des sozialen kommunalen Wohnungsbaus
Es ist eine der größten sozialen Fragen unserer Zeit, die Bevölkerung mit gutem, bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Wohnraum gehört zur Daseinsvorsorge und darf nicht dem freien Markt allein überlassen werden. Der kommunale Wohnungsbau mit unbefristeter Sozialbindung muss deshalb in Bayern gefördert und ausgebaut werden. Auch die katholische Kirche hat in diesem Bereich eine große Verantwortung und Handlungsmöglichkeiten. Als Landeskomitee der Katholiken in Bayern setzen wir uns dafür ein, dass diese Verantwortung auch wahrgenommen wird und verweisen in diesem Zusammenhang auf das jüngst veröffentlichte Papier „Wohnraum als Voraussetzung für sozialen Frieden“.
Ökologisch
Die Klimafrage und das Gelingen einer öko-sozialen Transformation sind die entscheidenden Fragen für die Zukunft unserer Lebenswelt schlechthin. Auch in Bayern können wir an entscheidenden Stellschrauben drehen und damit unseren Beitrag für eine „enkeltaugliche“ Welt beisteuern:
Bayerisches Klimaschutzgesetz und Energiewende
Der Freistaat muss das Pariser Klimaschutzabkommen umsetzen. Dazu gehört ein Bayerisches Klimaschutzgesetz, das konkrete, wirksame und überprüfbare Maßnahmen beinhaltet.
Flächenverbrauch gesetzlich begrenzen
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich der Flächenverbrauch durch die Ausweisung und Versiegelung neuer Siedlungsflächen und Verkehrsflächen in Bayern durch Appelle und Freiwilligkeit nicht eindämmen lässt. Bayern braucht eine gesetzlich geregelte Begrenzung des Flächenverbrauchs und ihre Durchsetzung. Ein Flächenverbrauch von fünf Hektar pro Tag sollte nicht überschritten werden.
Artenschutz, Bodenschutz und Förderung von ökologischer Landwirtschaft
Für ein lebenswertes Bayern müssen die natürlichen Lebensgrundlagen und Lebensräume wirksam geschützt werden. Das heißt, es müssen natürliche Lebensräume erhalten und darüber hinaus durch Renaturierung neue geschaffen werden. Eine bäuerliche, ökologische Landwirtschaft kann einen wesentlichen Beitrag zum Artenschutz leisten und muss gefördert werden. Artenschutz und Klimaschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Wirtschaftlich
Bayern ist ein wichtiger Wirtschaftsstandort und soll dies auch bleiben. So werden Wohlstand und gute Lebensbedingungen für die Menschen im Freistaat garantiert. Um dieses Niveau im nationalen und internationalen Vergleich beizubehalten, müssen in einigen Bereichen Maßnahmen ergriffen werden.
Lösungen für den Fachkräftemangel
Was vor einigen Jahren noch lediglich vereinzelte Wirtschaftszweige betraf, trifft inzwischen nahezu alle: der Fachkräftemangel stellt internationale Unternehmen, Industrie und Verwaltung und insbesondere Mittelständler und Handwerksbetriebe vor enorme Schwierigkeiten. Schnelle und wirksame Maßnahmen sind notwendig, beispielsweise könne das Qualifizierungschancengesetz (QCG) großzügiger ausgelegt werden und bestehende Angebote flexibilisiert werden, insbesondere für ältere Beschäftigte. Dabei wird es ohne Zuwanderung nicht gehen. Dafür müssen wir das Potential der Menschen, die nach Bayern kommen, sehen und fördern.
Keine Ausweitung der Arbeitszeit und Sonntagsschutz
Wir lehnen die Pläne ab, in denen die gesetzlich mögliche Arbeitszeit über die aktuell geltenden zehn Stunden am Tag ausgeweitet werden sollen. Unabhängige, wissenschaftliche Studien belegen, dass durch längeres Arbeiten nicht die Produktivität steigt, sondern vielmehr das Verletzungsrisiko und die Fehleranfälligkeit (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2019), Bundeswirtschaftsministerium (2020, 2021), H. Schiller et al (2017)). Daher fordern wir, dass die momentane Regelung beibehalten wird – natürlich unter der Einbeziehung von Überlegungen für mehr Flexibilität zur Vereinbarung von Familie und Beruf. Der Sonntag als arbeitsfreier Tag, mit Zeit für Familie, Freunde und Erholung, ist wichtig für die Beschäftigten und darf daher nicht zur erneuten Diskussion gestellt werden.
Daseinsvorsorge
Bei den Bürgerinnen und Bürgern in Bayern genießt die kommunale Daseinsvorsorge einen hohen Stellenwert. Dem sollte die zukünftige Staatsregierung gerecht werden. Gerade im Bereich der Wasserversorgung werden in den nächsten Jahren große Herausforderungen auf uns zukommen. Während die Lage bei manchen unserer europäischen Nachbarn schon spürbar dramatisch ist, haben auch wir in Bayern bereits Regionen, die mit Dürre und Wasserknappheit zu kämpfen haben. Wir erwarten, dass sich die bayerische Politik diesem Thema annimmt und tragfähige Strategien entwickelt, die im Einklang mit Mensch und Natur und einer nachhaltigen Entwicklung stehen.
Vom Präsidium des Landeskomitees der Katholiken in Bayern einstimmig beschlossen.
Bildnachweis: Adobe Stock Robert Kneschke, Romolo Tavani / KNA-Bild
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von docs.google.com zu laden.
2 kommentare
[…] Nachhaltiges Bayern gefordert. Katholische Laienvertreter appellieren an Landespolitiker. Gespräch mit Joachim Unterländer vom Landeskomitee der Katholiken in Bayern(weitere Details auf http://www.landeskomitee.de […]
[…] Weiterlesen auf http://www.landeskomitee.de (url-Link) […]