In Bayern werden derzeit jährlich etwa 35,81 km2 in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt, dies entspricht einer täglichen Neuversiegelung von 18 Fußballfeldern. Aktuell werden 8.433,31 km2 oder 12 % der Gesamtfläche Bayerns entsprechend beansprucht. Etwa die Hälfte dieser Fläche, nämlich mehr als 4.200 km2 sind versiegelt und können damit die versorgenden, regulierenden und lebensstützenden Funktionen nicht mehr erfüllen. Bedingt durch Bevölkerungswachstum und hohe wirtschaftliche Dynamik weist Bayern im Bundesvergleich derzeit den höchsten Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsflächen auf. Das Ausmaß der Versiegelung Bayerns hat bereits die achtfache Fläche des Bodensees erreicht.[1] Diese Entwicklung darf so nicht weitergehen.
Vor diesem Hintergrund unterstützen wir ausdrücklich die in der Bayerischen Nachhaltigkeitsstrategie festgelegte Zielsetzung einer langfristig deutlichen Reduzierung des Flächenverbrauchs bis hin zu einer Flächenkreislaufwirtschaft ohne weiteren Flächenneuverbrauch. Den Initiatoren des geplanten Volksbegehrens „Betonflut eindämmen“ wie auch weiteren Initiativen zum sorgsamen Umgang mit Bodenflächen kommt das Verdienst zu, dass sie öffentlichkeitswirksam auf den besonderen Wert des Bodens und gleichzeitig auf gravierende Probleme aufmerksam machen: die Zunahme der versiegelten Flächen insgesamt sowie die Zerschneidung von Landschaft durch Zersiedelung und Gewerbeansiedelung auf der „grünen Wiese“. Der Freistaat Bayern ist ein Flächenland und zeichnet sich durch vielfältige und ökologisch wertvolle Natur- und Kulturlandschaften aus. Diese zu erhalten und den Anteil an Grün- und Erholungsflächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen auszuweiten, ist für die Landwirtschaft, den Tourismus und die einheimische Bevölkerung und den Erhalt „weicher“ Standortfaktoren, aber auch für einen nachhaltigen Wasser- und Bodenschutz sowie den Erhalt der Artenvielfalt unerlässlich.
Die Bayerische Nachhaltigkeitsstrategie definiert dementsprechend als eines ihrer Ziele die „langfristig deutliche Reduzierung des Flächenverbrauchs bis hin zu einer Flächenkreislaufwirtschaft ohne weiteren Flächenneuverbrauch“.[2] Auch die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung benennt als kurzfristiges Ziel, die tägliche zusätzliche Flächenbelegung in Deutschland bis 2020 auf höchstens 0,3 km2 pro Tag zu begrenzen und langfristig die Netto-Neuversiegelung ganz zu stoppen. Die deutschen Bischöfe haben dieses Ziel in ihrem Grundsatzpapier „Der bedrohte Boden“ bekräftigt.[3]
Gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen (Artikel 3 der Bayerischen Verfassung) erfordert im Sinn des Subsidiaritätsprinzips eine diversifizierte Landesentwicklung mit lokalen Maßnahmen. Dies entspricht dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden. Allerdings korrespondiert dieses Ziel mit dem Solidaritätsprinzip, die natürlichen Lebensgrundlagen in Bayern zu schützen (Artikel 141 der Bayerischen Verfassung). Beide Ziele sind für uns als Landeskomitee der Katholiken in Bayern vor dem Hintergrund der katholischen Soziallehre von großer Bedeutung. Um sie zu erreichen, gibt es bereits eine Fülle an freiwilligen Maßnahmen.
Der anhaltende Trend zur Ausweisung neuer Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsflächen zeigt jedoch, dass freiwillige Maßnahmen allein nicht ausreichend sind. Um eine nachhaltige Reduzierung der Flächenversiegelung zu erreichen, braucht es für Kommunen und Planungsverbände wirkungsvolle finanzielle Anreize durch geeignete Förderprogramme sowie rechtlich verbindliche Vorgaben, insbesondere im Rahmen der Bauleitplanung. Diese sollten darauf abzielen, Innenentwicklungspotentiale zu stärken, Leerstände in Ortskernen wiederzubeleben, interkommunale Zusammenarbeit zu forcieren, Bestandsanlagen mit einem höheren Anteil an Grün- und Erholungsflächen aufzuwerten und Industriebrachen zu renaturieren. Darüber hinaus sollten verstärkt Möglichkeiten genutzt werden, Wohnbebauung aufzustocken und Gewerbebetriebe möglichst ortsnah anzusiedeln. Weitere wirkungsvolle Instrumente wären eine standardisierte Flächenbedarfsberechnung der Kommunen auf der Grundlage lokaler Bevölkerungsprognosen und Brachflächenkatastern, eine Wiederaufwertung der Landesplanung sowie ein Landesentwicklungsprogramm mit tatsächlichem Gestaltungsanspruch.
Das auch im Landesentwicklungsplan verankerte Kernziel, äußerst sparsam mit der Versiegelung von Flächen umzugehen, sollte Verfassungsrang erhalten und auch als einfaches Gesetz rechtlich verbindlich werden. Wir bitten alle entscheidenden Akteure zur Reduzierung des Flächenverbrauches beizutragen: die kommunalen Spitzenverbände, die Wirtschaftsverbände, den Bayerischen Landtag als Gesetzgebungsorgan und die gesamte Gesellschaft. Auch das Landeskomitee der Katholiken in Bayern ist gerne bereit, seinen Beitrag dazu zu leisten, gemeinsam wieder Boden gut zu machen.
Vom Geschäftsführenden Ausschuss des Landeskomitees der Katholiken in Bayern
am 9. April 2018 einstimmig beschlossen.
[1] Vgl. hierzu die Angaben des Bayerischen Landesamtes für Statistik für das Jahr 2016 (abgerufen auf www.statistik.bayern.de am 21. März 2018) sowie die Angaben des Bayerischen Landesamtes für Umwelt nach einer satellitengestützten Erfassung im Jahr 2015 (abgerufen auf www.lfu.bayern.de am 21. März 2018).
[2] Vgl. Bayerische Nachhaltigkeitsstrategie auf www.nachhaltigkeit.bayern.de (abgerufen am 29. März 2018).
[3] Vgl. Expertentext „Der bedrohte Boden“, hrsg. von der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz vom 1. September 2016 (abrufbar auf www.dbk.de), S. 47.
Foto: Privat
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