Fast 600.000 Gläubige bestimmen mehr als 24.000 Vertreterinnen und Vertreter für die Gremien
München, 24. März 2022. Bei den Pfarrgemeinderatswahlen am vergangenen Sonntag, 20. März, haben bei einem Auszählungsstand von 92 Prozent insgesamt 596.502 Gläubige in den Pfarrgemeinden der sieben bayerischen (Erz-)Diözesen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Das entspricht laut einer Analyse des Landeskomitees der Katholiken in Bayern von Donnerstag, 24. März, einer bayernweiten Wahlbeteiligung von 12,75 Prozent. Es bedeutet zugleich einen Rückgang von 4,78 Prozentpunkten auf bayerischer Ebene gegenüber 2018. Insgesamt wurden 24.411 Mitglieder in die neuen Pfarrgemeinderäte gewählt, davon 16.452 Frauen und 7.959 Männer. Positiv zu werten ist laut Landeskomitee der gestiegene Anteil an gewählten Frauen von bisher 62 Prozent auf nunmehr 67 Prozent. „Womit die Frauen nunmehr in den knapp 4.000 Pfarrgemeinderäten bayernweit die klare Mehrheit haben. Gleichzeitig stellt sich jedoch auch die Frage, warum sich offensichtlich immer weniger Männer eine Mitarbeit im Pfarrgemeinderat vorstellen können. Eine Ursachenforschung wäre hier angezeigt“.
Die Spitzenreiterrolle bei der Wahlbeteiligung in Bayern hat erneut die Diözese Würzburg mit 19,47 Prozent übernommen – noch vor den Diözesen Eichstätt mit 17,33 Prozent, Regensburg mit 13,40 Prozent sowie München und Freising mit 12,33 Prozent. „Die durch die Coronapandemie in den vergangenen beiden Jahren deutlich eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der Kirche insgesamt und der Ehrenamtlichen im Besonderen“ sind nach Einschätzung des Landeskomitees eine Ursache für den Rückgang.
Angesichts des Rückgangs der bayernweiten Wahlbeteiligung von vormals 17,53 Prozent auf nunmehr 12,75 Prozent ist laut Landeskomitee „die Tatsache aufschlussreich, dass das Verhältnis der Wählenden gegenüber der Zahl der Teilnehmenden an den Gottesdiensten trotzdem gesteigert werden konnte“. Bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2018 betrug der prozentuale Anteil der Wählenden gegenüber sonntäglichen Messbesuchern rund 136 Prozent; dieser Anteil stieg nun auf 161 Prozent. Hier könne nach Einschätzung der Laien „noch ein Potential liegen, das sich auch zwischen den Pfarrgemeinderatswahlen noch besser nutzen“ lasse.
Wenn die Zahl der Wählenden trotz sinkender Wahlbeteiligung gegenüber dem Anteil der regelmäßig an den Gottesdiensten Teilnehmenden angestiegen sei, könne dies jedoch nur teilweise beruhigen. „Vielmehr ist sie ein alarmierendes Zeichen für die weiter nachlassende Bindungskraft der Kirche durch die klassischen Verkündigungswege und die Liturgie“. Hoffnung könne die relativ gestiegene Wahlbeteiligung insofern verbreiten, als die Pfarrgemeinden im Einzelnen und die Kirche insgesamt in Zukunft „noch mehr auf Begegnungs- und Kontaktmöglichkeiten mit Gläubigen und Interessierten setzen sollten, die abseits der klassischen Wege liegen“, so das Landeskomitee.
Der Rückgang der Wahlbeteiligung sei trotz der in den beiden Diözesen Eichstätt sowie München und Freising erstmals flächendeckend durchgeführten Online-Wahl „angesichts der schwierigen Lage der katholischen Kirche offensichtlich nicht zu vermeiden“ gewesen, resümieren die katholischen Laien. Zu beobachten sei aus den Einzelergebnissen nach wie vor ein Stadt-/Land-Gefälle. Generell ist die Wahlbeteiligung in ländlichen Gemeinden höher als in städtischen Gebieten, was laut Landeskomitee „auf intensivere Verbindungen der Gläubigen untereinander sowie mit den ehren- und hauptamtlich Engagierten in einer kleineren Gemeinde zurückzuführen ist“.
Gerade die zahlreichen Umstrukturierungsmaßnahmen, die in allen bayerischen Diözesen in unterschiedlichem Ausmaß im Gang seien, könnten die Motivation von Ehrenamtlichen beeinträchtigen, wenn sie nicht genügend an diesen Prozessen beteiligt werden, schließen die Laien. In der Folge seien „nicht selten Brüche zu beobachten, die sich sowohl bei der Kandidatensuche als auch beim Versuch bemerkbar machen, Gläubige zur Wahl zu animieren“. Eine positive Überzeugungskraft, mit der ehren- und hauptamtlich Engagierte auf die Gläubigen zugehen können, speise sich „sowohl aus der eigenen Glaubensüberzeugung als auch aus der gegenseitigen Stärkung aller, die in der Kirche Verantwortung tragen“.
In den kommenden vier Wochen werden im Zuge der Konstituierungen der Pfarrgemeinderäte in Bayern voraussichtlich bis zu 12.000 Personen hinzuberufen, die eine noch breitere Themenpalette und einen weiteren Adressatenkreis im Pfarrgemeinderat vertreten sollen. Bei der Auswahl der Personen können die Interessen von Jugendlichen, Senioren, jungen Familien oder Neuhinzugezogenen eine Rolle spielen, aber auch die Liturgie und Bildungsfragen. „Die Wertschätzung des Ehrenamtes hat in der katholischen Kirche zwar grundsätzlich Tradition, ist aber in Zukunft von noch größerer Bedeutung, wenn die christliche Botschaft Jesu Christi zum Sauerteig einer Gesellschaft werden soll, die sich nach Mut und Zuversicht schenkenden Worten und Gesten in und nach der langen Zeit der Coronapandemie sehnt“, so das Landeskomitee.
Alle Mitglieder – in ganz Bayern etwa 40.000 Ehren- und Hauptamtliche – werden in den kommenden vier Jahren das kirchliche Leben in den Pfarrgemeinden und Dekanaten mit Ideen und Initiativen gestalten. Sie können dabei sowohl den gesellschaftspolitischen als auch innerkirchlichen Fragestellungen nachgehen, also den Welt- und Heilsdienst in der katholischen Kirche ausüben. Dazu werden zahlreiche Arbeitsgruppen, Sachausschüsse oder Arbeitsgemeinschaften eingerichtet, um diese Anliegen aufzugreifen und umzusetzen. (hs)