Studientag des Landeskomitees sieht Vernetzungsbedarf / Barrieren abbauen und Teilhabe ermöglichen
Im Rahmen eines Studientags des Landeskomitees der Katholiken in Bayern unter dem Titel „Barrieren (im Kopf) überwinden“ haben sich die Teilnehmer dafür eingesetzt, dass mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderung ermöglicht werde. Die Ergebnisse des Studientags, den das Landeskomitee in Kooperation mit dem Landesforum Katholische Seniorenarbeit Bayern am Montag, 9. Mai, in Nürnberg veranstaltete, sollen ausgewertet und in einer neuen Ausgabe der Schriftenreihe „Pro Praxis“ des Landeskomitees veröffentlichet werden. Damit will das Landeskomitee den Pfarrgemeinden, Räten, Verbänden und Organisationen Ideen und Vorschläge an die Hand geben, wie sie die unterschiedlichen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen erkennen, mit ihnen besprechen und mögliche Konsequenzen daraus ziehen können. Es kann sich dabei um Empfehlungen für bauliche Maßnahmen und für eine leichter verständliche Sprache in den liturgischen Feiern handeln oder auch Maßnahmen, die eine bessere Einbeziehung in das Leben einer Pfarrgemeinde zum Ziel haben.
Die Würde jedes einzelnen Menschen unabhängig von seinen individuellen Beeinträchtigungen betonte der Paderborner Pastoraltheologe Herbert Haslinger bei dem Studientag. In der Gottebenbildlichkeit des Menschen liege der Grund für die besondere Verantwortung der Kirche, den Selbstwert und die spezifischen Wünsche der Menschen mit Behinderungen ernst zu nehmen, so Haslinger. Zugleich setzt sich Haslinger kritisch mit dem Ideal der Inklusion, wie es die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen von 2006 formuliert, auseinander. Haslingers Ansicht nach besteht in einer radikalen Umsetzung von Inklusion die Gefahr eines „Gleichheitszwangs“, der „Ausblendung von Realität“ und der sprachlichen „Verdrängung“ bestehender Behinderungen und Einschränkungen. Man müsse die unterschiedlich ausgeprägten Formen von Behinderungen der Menschen in den Blick nehmen, um ihren Wünschen entsprechen und ihrer Würde gerecht werden zu können, so Haslinger.
Der Seelsorgeamtsleiter des Erzbistums Bamberg, Domkapitular Peter Wünsche, wies darauf hin, dass die Kirche nicht den „perfekten Menschen“ wolle. Vielmehr gehe es um „Teilhabe und Teilgabe“, wie auch die Legende vom hinkenden Bistumsgründer Kaiser Heinrich zeige. Auch die Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Irmgard Badura, sprach sich im Rahmen des Studientags für mehr Differenzierung aus. Es sei wenig hilfreich, wenn etwa einem blinden Menschen in einem Hotel ein „behindertengerechtes“ Zimmer angeboten werde. Meist sei damit eine Ausstattung für Rollstuhlfahrer gemeint. Damit würden Blinde aber eher irritiert, da Griffe und Schalter dort meist tiefer als üblich montiert seien und somit das Ertasten für Blinde erschwert statt erleichtert werde. Angebote müssten auf Passgenauigkeit und Nutzerorientierung überprüft und bei Bedarf optimiert werden. Nur so könne das Ziel der Staatsregierung erreicht werden, Bayern bis zum Jahr 2023 barrierefrei zu machen.
Man solle sich von der Vorstellung verabschieden, dass Menschen mit Behinderungen vor allem Fürsorge oder „Über-Bevorzugung“ wünschten, so Badura. Dort, wo Inklusion im umfassenden Sinn möglich sei, solle sie auch umgesetzt werden. Es brauche aber auch in Zukunft spezielle Förder- und Werkstätten, in denen in Bayern zurzeit rund 35.000 Menschen gezielt unterstützt werden. Diese müssten jedoch ihre Zielvorstellungen weiterentwickeln und noch genauer den Bedürfnissen der Betroffenen anpassen. (ke/ck)