Stellungnahme zu nichtinvasiven Bluttests während der Schwangerschaft
In der Debatte darüber, ob nichtinvasive Bluttests während der Schwangerschaft in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden sollen, geht es um weit mehr als um diese Frage. Sie macht vielmehr deutlich, wie es um unsere Einstellung zum werdenden Leben generell bestellt ist. Solche pränatalen Schwangerschaftstests sollen bei Kosten- und Risikoreduzierung Gewissheit darüber verschaffen, ob das Kind gesund ist, das im Mutterleib heranwächst.
Aber diese vermeintliche Sicherheit wirft mehr Fragen als Antworten auf: Was passiert mit dem Kind, wenn dieser Test ergibt, dass eine Behinderung vorliegt oder wahrscheinlich ist? Was passiert mit der Mutter, mit den Eltern, die nicht wissen, wie sie mit diesem Wissen nun umgehen sollen? Was passiert mit unserer Gesellschaft, die anfängt, lebenswertes Leben von lebensunwertem Leben zu unterscheiden? Welche Grenze soll gezogen werden, ab der ein Kind noch leben darf oder nicht?
Allen werdenden Eltern ist zu wünschen, dass sie ein gesundes Kind erwarten dürfen. Aber selbst gesunde Kinder können später in ihrem Leben Behinderungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen erfahren. Nur etwa fünf Prozent aller Behinderungen sind angeboren, die meisten kommen erst im Laufe des Lebens.
Wir verkennen nicht, dass die Erkenntnis, ein womöglich behindertes Kind zu erwarten, für werdende Eltern erschütternd ist. Die Angst, dieser Belastung nicht gewachsen zu sein, darf nicht kleingeredet werden. Gleichzeitig geben wir zu bedenken, dass die Tests nicht immer zuverlässige Ergebnisse liefern.
Auf der anderen Seite stellt die Entscheidung, ein Kind abtreiben zu lassen, einen Eingriff in dessen ureigenes Recht auf Leben dar. In der Debatte um pränatale Bluttests geht es letztendlich darum, Leben mit Behinderung zu „vermeiden“, sowohl aus Zumutbarkeits- als auch aus Kostengründen. Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes kennt jedoch bewusst keine Einschränkungen und Relativierungen, weder hinsichtlich der Lebenszeit noch im Hinblick darauf, ob das Leben mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen verbunden ist und damit nicht mehr lebenswert wäre. Das Lebensrecht gilt für jeden Menschen im gleichen Maß.
Wir halten die zu erwartende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses, nichtinvasive Bluttests in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen, sowohl aus ethischen als auch aus verfassungsrechtlichen Gründen für falsch. Aus unserer Sicht ist es angezeigt, sich gesellschaftlich und politisch vorrangig folgenden Aufgaben zu stellen:
- Es gilt, eine Willkommenskultur für jedes Kind zu entwickeln, unabhängig davon, ob es gesund ist oder mit einer Behinderung zurechtkommen muss.
- Die Freude der werdenden Eltern auf das Kind darf nicht mit Ängsten und Sorgen überfrachtet werden.
- Die Beratungsarbeit für werdende Eltern muss allgemein intensiviert werden. Der Zugang zu professionellen Beratungsstellen sollte möglichst einfach angelegt sein und die Beratungsstellen sollten besser miteinander vernetzt werden. Wir plädieren hier für die Installation einer eigenen und gut funktionierenden App, um so vor allem Jugendliche besser zu erreichen.
- Jugendlichen sollte ein intensiveres Bewusstsein über ihren eigenen Körper vermittelt werden. Die möglichen Konsequenzen sexueller Beziehungen und die daraus folgende Verantwortung müssen den jungen Frauen und Männern frühzeitig vor Augen geführt werden. Jung und schwanger zu sein, bedeutet aber nicht das Ende aller Karrierepläne.
- Der nicht selten anzutreffende Versuch, das werdende Kind und den Zustand der Schwangerschaft gedanklich und dann auch physisch voneinander trennen zu können, ist zum Scheitern verurteilt. Die gedankliche Abkoppelung vom eigenen Körper ist keine Lösung. Das gewaltsame Ende der Schwangerschaft bedeutet auch den Tod des Kindes.
- Falls nichtinvasive Pränataltests dennoch in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden sollten, ergeben sich für uns folgende unabdingbare Voraussetzungen:
- Solche Pränataltests müssen auch in Zukunft freiwillig bleiben. Ein Recht auf diese Leistung bedeutet keine Pflicht, sie durchführen zu lassen. Für eine gut abgewogene Entscheidung ist ein begleitendes psychosoziales Beratungsangebot unerlässlich.
- Das Recht auf Nichtwissen von Schwangeren und werdenden Eltern ist zu respektieren und zu dokumentieren.
- Ärzte müssen die Schwangeren und werdenden Eltern unmissverständlich darüber informieren, welche Konsequenzen aus einem Testergebnis folgen könnten. Dies sollte auch schriftlich festgehalten werden.
- Gleichzeitig muss das Arzthaftungsrecht dahingehend modifiziert werden, dass Ärzte nicht mehr belangt werden können, wenn sie bei entsprechenden Testergebnissen nicht zum Abbruch drängen.
- Frauen, die sich trotz Beratung und Hilfsangeboten zu einer Abtreibung entschließen, handeln zwar rechtswidrig, aber straffrei. Ihnen muss eine geeignete psychosoziale Beratung angeboten werden, um posttraumatische Belastungsstörungen aufzufangen.
- Familien mit behinderten Kindern sind hinreichend zu unterstützen. Die Kontakte von betroffenen Familien untereinander sollten erleichtert sowie geeignete Netzwerke aufgebaut und unterstützt werden. Die Möglichkeiten zur Förderung der Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen müssen auch nach dem Jugendalter ausgeweitet werden. Inklusion und Diversity müssen selbstverständlich werden.
Wenn öffentlich darüber diskutiert wird, pränatale Bluttests zuzulassen, geht es letztlich um den perfekten Menschen. Den wird es jedoch nicht geben – niemand ist perfekt. In jedem menschlichen Leben gibt es Klippen, die schwer oder gar nicht zu umschiffen sind. Und wir sollten nicht anfangen, die finanziellen Kosten pränataler Tests gegen die späteren Mehrkosten für einen behinderten Menschen aufzurechnen. Das wäre das Ende einer Gesellschaft, die vom biblisch-christlichen Menschenbild geprägt ist.
Vielmehr muss es uns gelingen, wieder ein Klima der Wertschätzung für Kinder und Familien zu schaffen. Die Ökonomisierung vieler Lebensbereiche nach dem Kosten- und Nutzenprinzip darf nicht die Wertschätzung menschlichen Lebens erfassen.
Vom Präsidium des Landeskomitees der Katholiken in Bayern am 22. Juli 2019 einstimmig beschlossen.
Die zugehörige Pressemitteilung finden Sie hier
Foto: totjang 1977/ Adobe Stock
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