Mit kalkulierbarer Regelmäßigkeit unternimmt Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger Vorstöße, den Sonntagsschutz zu unterminieren. Sein jüngster Brief an die bayerischen Kommunen, bis zu vier Marktsonntage pro Jahr durchzuführen, ist ebenso überflüssig wie gefährlich. Den bayerischen Kommunen ist diese Möglichkeit bestens bekannt und sie muss ihnen daher nicht erst ministeriell nahe gebracht werden.
Aus guten Gründen hat das Grundgesetz in Artikel 140 die Bestimmung der Weimarer Verfassung unverändert übernommen, die in Artikel 139 den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage „als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ ausdrücklich schützt. Jede Ausnahme davon will und muss gut begründet werden. Die Sonderregelungen der Bayerischen Staatsregierung zu den erweiterten Öffnungszeiten im Handel während der Coronakrise haben überdeutlich gezeigt, dass davon kaum Gebrauch gemacht wurde. Bis Mitte Mai durften die Läden werktags von 6 bis 22 Uhr und sonntags von 12 bis 18 Uhr öffnen.
Niemand hat in Zeiten von Kurzarbeit und drohendem Arbeitsplatzverlust einen Euro mehr verfügbar, nur weil sonntags Märkte stattfinden. Noch wissen wir nicht genug über das Coronavirus, über seine künftige Gefahr für die Gesundheit der Menschen und über die Risikominimierung durch einen Impfstoff.
Aber so viel wissen wir: Die nach wie vor hohe Infektionsrate würde durch volksfestartige Märkte eher wieder steigen und erneut Personen gefährden. So verständlich die Sehnsucht vieler Menschen nach Normalität, nach Festen und Feiern ist. So gefährlich sind solche Feste und Feiern nicht nur für diejenigen, die daran teilnehmen, sondern sie sind es auch für die, mit denen die Feiernden hinterher in Kontakt kommen. Das haben zahlreiche Erfahrungen mit den Ansteckungswegen klar gezeigt. Wer will allen Ernstes die Verantwortung für schwere Krankheitsverläufe bis hin zum Tod übernehmen bei Menschen, die eigentlich unbeteiligt waren?
Der den Märkten eigentlich zugrunde liegende Feiercharakter wird angesichts der Tatsache konterkariert, dass gerade Feiern – ob privat oder öffentlich – erwiesenermaßen das Infektionsgeschehen in der Coronapandemie treiben. Wir sollten dankbar dafür sein und alles dafür tun, dass Deutschland trotz der beinahe 250.000 Infizierten und trotz der mehr als 9.000 Todesfälle noch immer zu den europäischen Ländern zählt, die vergleichsweise glimpflich durch die Coronakrise kommen.
Ein Wirtschaftsminister, der in der Coronakrise mehr Sonntagsmärkte fordert, muss sich fragen lassen, ob er in seiner politischen Verantwortung dazu beitragen will, das Infektionsgeschehen zu potenzieren. Die bisherige besonnene Linie der Staatsregierung zur Eindämmung des Infektionsgeschehens und zum Schutz der Gesundheit spricht Gott sei Dank eine andere Sprache.
München, 3. September 2020
Joachim Unterländer, Vorsitzender
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Beitragsbild:Grecaud Paul / Adobe Stock
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