Die Schöpfung ist dem Menschen geschenkt, „damit er sie bebaue und hüte“ (Gen 2,15). Diesem Auftrag verantwortungsvoll nachzukommen ist daher ein wichtiges Thema des christlichen Glaubens. Und dazu gehört ganz wesentlich die Erhaltung der Artenvielfalt. In seiner Enzyklika Laudato si‘ spricht Papst Franziskus von der Erde als gemeinsames Haus, das Gott uns Menschen anvertraut hat (LS 232). Papst Franziskus sagt aber auch: „Jedes Jahr verschwinden Tausende Pflanzen- und Tierarten, die wir nicht mehr kennen können, die unsere Kinder nicht mehr sehen können, verloren für immer. Die weitaus größte Mehrheit stirbt aus Gründen aus, die mit irgendeinem menschlichen Tun zusammenhängen. Unseretwegen können bereits Tausende Arten nicht mehr mit ihrer Existenz Gott verherrlichen, noch uns ihre Botschaft vermitteln. Dazu haben wir kein Recht.“ (LS 33)
Auch das Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen“ vom Februar 2019 versucht hier anzusetzen. 18,4 Prozent der Wahlberechtigen in Bayern hatten sich eingetragen und somit ein Zeichen für den Naturschutz und die Demokratie gesetzt. Für einen umfassenden, effektiven und gesellschaftlich breit getragenen Artenschutz war die folgende Einigung, die am Runden Tisch der Bayerischen Staatsregierung im April 2019 erzielt worden war, höchst bedeutsam. Sie hat zur Versöhnung bisher gegensätzlicher Interessen geführt. Dieser Weg ist ein zukunftsweisendes Beispiel, wie durch einen breiten gesellschaftlichen Dialog wesentliche Fragestellungen von Staat und Gesellschaft konstruktiven Lösungen zugeführt werden können.
Es kommt nun darauf an, sowohl das eigentliche Gesetzesvorhaben als auch die angekündigten Ausführungsbestimmungen so zu gestalten, dass die Artenvielfalt in Flora und Fauna davon profitieren kann. Dazu gehören gute Gespräche zwischen der Landwirtschaft und Verbraucherseite, aber auch mit politisch Verantwortlichen, um möglichst alle für eine entsprechende Umsetzung des Anliegens „Artenschutz und Artenvielfalt“ zu gewinnen.
Verantwortung für die Schöpfung zeigen
Es geht nicht nur darum, einen aktuellen „Ist-Zustand“ zu konservieren. Es geht um die Bewahrung und Förderung der Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräumen – im Blick auf unsere Verantwortung für die Schöpfung sowie für die jetzt und künftig auf der Erde lebenden Menschen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der sich alle beteiligen müssen, wenn sie gelingen soll:
- Es braucht gute Rahmenbedingungen, um die Landwirtschaft verstärkt und breit angelegt ökologisch weiterzuentwickeln. Zudem gilt es die Nachfrage nach regional erzeugten Lebensmitteln zu forcieren, damit mehr Landwirte auf eine ökologische Wirtschaftsweise umstellen können.
- Grünflächen inklusive Dachbegrünungen sollten im Sinn von Biodiversität, Artenschutz und Artenvielfalt bepflanzt und gepflegt werden. Staat, Kirche sowie Kommunen und Betriebe müssen mit ihren Grünflächen, Gärten und Parks beispielgebend sein für Privathaushalte.
- Staat, regionale Planungsverbände und Kommunen sollten notwendige Verkehrs- und Siedlungsprojekte sowie Flächenversiegelungen gewissenhaft prüfen und nach Möglichkeit flächensparende Alternativen wählen. Ausgleichsflächen sind ökologisch wertvoll zu gestalten. Ein bayernweiter Biotopverbund muss das Ziel sein.
- Die Kirche sollte die Pächter auf ihren landwirtschaftlichen Flächen zur Erfüllung ökologischer Kriterien anhalten. Bei der Neuvergabe von Pachtverträgen müssen ökologische und soziale Kriterien stärker berücksichtigt werden.[1] Um dies zu erleichtern, müssen die jeweils kirchlich Verantwortlichen den Dialog mit den Pächtern aufnehmen, ihnen geeignete Hilfen anbieten und gemeinsam mit ihnen nach guten Lösungen suchen.
- Konsumenten sollten Lebensmittel und Gebrauchsgüter ökologisch und regional zu fairen Preisen beziehen. Zudem muss die Beschaffung in öffentlichen und kirchlichen Einrichtungen auf diese Kriterien hin überprüft werden. Die Liefer- und Marketingstrategien des Handels sollten nachhaltigen Konsum unterstützen. Hierzu ist das Angebot entsprechender Produkte im Handel deutlich auszuweiten.
- Es gilt, die eigenen Freizeitaktivitäten verantwortungsbewusst und ressourcenschonend zu gestalten sowie die privat und beruflich notwendigen Verkehrsmittel bewusst zu wählen.
Artenvielfalt macht Schule
Um diese Ziele zu erreichen, plädieren wir für eine lebensnahe Balance aus freiwilligen Leistungen und gesetzlichen Vorgaben. Über Fördermechanismen beispielsweise muss dafür Sorge getragen werden, dass niemand benachteiligt wird. Ebenso fordern wir die Bayerische Staatsregierung auf, auf Bundes- und Europaebene Einfluss zu nehmen, damit die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. „Nur was der Mensch kennt, schützt er auch“ – in diesem Sinn müssen Lehrpläne weiterentwickelt werden, um jungen Menschen in Schule, Hochschule und beruflicher Ausbildung ein fundiertes Wissen über die Zusammenhänge der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie und Soziales) und die Herausforderungen in diesem Bereich zu vermitteln. Pläne für ein entsprechendes Unterrichtsfach werden ausdrücklich begrüßt. Daneben braucht es Angebote im Bereich der Erwachsenenbildung, wie etwa in den Landvolkshochschulen und Bildungswerken.
Alles ist miteinander verbunden
Artenschutz und der Erhalt von Biodiversität sind wichtige Ziele. Sie dürfen aber nicht isoliert gesehen werden, sondern sind mit Zielkonflikten abzuwägen: Klimawandel, Agrarwende, Energiewende, Verkehrswende, vitale ländliche Räume, Daseinsvorsorge, Ernährungssicherung, Wohnraumbedarf und Flächenverbrauch. „Alles ist miteinander verbunden. Darum ist eine Sorge für die Umwelt gefordert, die mit einer echten Liebe zu den Menschen und einem ständigen Engagement angesichts der Probleme der Gesellschaft verbunden ist“, schreibt Papst Franziskus in Laudato si‘ (LS 91).
Das Volksbegehren Artenvielfalt hat eine Diskussion über diese Themen angestoßen. Das ist wichtig. Leider haben sich in diesem Zusammenhang auch Fronten gebildet und verhärtet. Diese gilt es aufzuweichen und es müssen auch Kompromisse geschlossen werden, um zu tragfähigen Lösungen zu kommen. Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern will diesen Weg aktiv unterstützen. Nur gemeinsam und versöhnt können wir den komplexen Herausforderungen der Gegenwart begegnen. Alle sollten ihren Beitrag für die Schöpfung leisten.
Diese Positionierung wurde in einer Expertenrunde des Landeskomitees im März und vom Präsidium im April 2019 erarbeitet und diskutiert.
München, 16. Mai 2019
Joachim Unterländer, Vorsitzender
[1] Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Schöpfungsverantwortung als kirchlicher Auftrag – Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung für die deutschen (Erz-)Diözesen. Arbeitshilfen Nr. 301, Bonn 2018, S. 6.
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